Donnerstag, 9. Oktober 2008

Medvegya 1731/32, der bekannteste Fall von Vampirismus im 18. Jh.









Sein gesamter Verlauf mit den handschriftlichen Quellen im Originalwortlaut.

Nach dem Bekannt werden des Falles um die vampirische Leiche des Bauern Plogojovitz im Jahre 1725 und den Veröffentlichungen Michael Ranfts zu diesem Ereignis ebbten die gelehrten Diskussionen um blutsaugende Tote um 1730 wieder ab. Man möchte fast glauben, dass die Vampire danach in den Archiven der akademischen Welt für immer begraben worden wären, bis Anfang des Jahres 1732 aus Serbien der Aufsehen erregende Untersuchungsbericht des Militärchirurgen Johann Flückinger durch einen anonymen Druck aus Nürnberg überall in Deutschland publik gemacht wurde. Die Leipziger Gelehrtendebatte wurde aufs neue entfacht, handschriftliche Kopien des Originalberichtes an alle möglichen Akademien versandt, Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, verlangte ein Gutachten der Berlinischen Societät der Wissenschaften über den Fall, eine große Fülle von Publikationen verließen hauptsächlich in Leipzig die Druckerpressen und Michael Ranft, mittlerweile protestantischer Diakon in Nebra sah sich durch das Ereignis in Serbien veranlasst, seine in lateinischer Sprache abgefasste Dissertation De masticatione mortuorum in tumulis aus dem Jahre 1728 in einer erweiterten neuen Fassung und in deutscher Übersetzung 1734 erneut der Wissenschaft vorzulegen. Was war also geschehen, das diese so heftigen Reaktionen auslöste?
Im Dezember des Jahres 1731 wurde der kaiserliche Seuchenarzt Glaser von dem Kommandeur der österreichischen Armee in Jagodina / Serbien, Oberstleutnant Schnezzer, in das Dorf Medvegya an der Morava entsandt, da sich dort unter den ansässigen Wehrbauern eine grassierende Krankheit zu verbreiten schien. Glaser selbst kann in dem Dorf nichts feststellen, das einer tödlichen Seuche gleichkäme. Die Bewohner des Fleckens geben dem Arzt jedoch zu verstehen, dass blutsaugende Tote, also Vampire für das Sterben verantwortlich seien. Sie beschuldigen eine alte Frau namens Miliza, die nach ihrem Ableben einige Wochen vorher der Auslöser der Vampirseuche sei. Sie sagte zu Lebzeiten, dass sie das Fleisch von Schafen gegessen habe, die von Vampiren umgebracht worden waren. So hatte sie, nach dem Glauben der Menschen, den Keim in sich, nach ihrem Tode selbst zum Vampir zu werden.
Die Bauern bitten Glaser darum, die Ausgrabung und Vernichtung der vampirischen Leichen zu gestatten, gleichzeitig mit der Drohung versehen, dass sie, wenn ihrem Begehren nicht stattgegeben würde, das Dorf verlassen und aufgeben würden. Der Arzt sieht sich gezwungen die Gräber eröffnen zu lassen und sieht zu seiner Verwunderung die gleichen vampirischen Merkmale an den als Blutsauger benannten Leichen wie der kaiserliche Verwalter Frombald einige Jahre zuvor in Kisolova. Er verfertigt darauf einen Bericht an Oberstleutnant Schnezzer, in dem er empfiehlt, die Hinrichtung der entsprechenden Toten zu gestatten, da die Ortschaft von Bedeutung war und er nicht riskieren wollte, dass die Einwohner es verlassen, und er selbst davon abgesehen auch keine bessere Erklärung für das Sterben in dem Flecken hat.
Kommandant Schnezzer ist in der Sache argwöhnisch und sendet den Bericht Glasers an das Oberkommando der österreichischen Serbienarmee nach Belgrad. Dort wird entschieden, dass eine Untersuchungskommission von Offizieren und Militärärzten unter der Führung des Regimentsfeldscherers Johann Flückinger vom Fürstenbuschischen Regiment durchgeführt wird. Anfang Januar 1732 trifft die Kommission in Medvegya ein. Dort stellt sich durch Befragung der Einwohner heraus, dass die Vampirseuche einen noch früheren Ursprung als die genannte verstorbene alte Frau Miliza hat:
Ein Bauer namens Arnont Paole, der sich in den 1720er Jahren in dem Dorf niedergelassen hatte, hatte zu seinen Lebzeiten erzählt, dass er bei Cossova im türkischen Teil Serbiens von einem Vampir geplagt worden wäre und, um sich von ihm zu entledigen, von der Erde dessen Grabes gegessen und sich mit dem Vampirblut eingerieben hätte. Nach einem Sturz vom Heuwagen, ungefähr um das Jahr 1727, hatte er sich das Genick gebrochen und war verstorben. Nach seinem Tode jedoch soll er als Vampir umgegangen sein und mehreren Menschen und Schafen das Blut ausgesaugt und sie so getötet haben. Mit seiner Leiche wurde daraufhin von den Dorfbewohnern nach traditioneller Manier verfahren. Andere Dorfbewohner jedoch aßen, wohl in Folge eines Mangels an anderen Lebensmitteln, von dem Fleisch des von dem Vampir getöteten Viehs, was dann wiederum dahin mündete, dass diese Personen nach ihrem Ableben gleichfalls zu Vampiren werden müssten.
Flückinger stellte am 07. Januar eine genaue Untersuchung der als Vampire angegeben Leichen an und machte die gleichen Beobachtungen wie Glaser kurze Zeit vor ihm. Darüber hinaus stellte er fest, dass Verstorbene, die eine identische Zeitspanne wie die vampirischen Leichname in direkter Nachbarschaft mit diesen Körpern in derselben Erde gelegen hatten, verwest waren, die vampirischen Leichen hingegen gänzlich intakt waren, mit allen körperlichen Anzeichen, die die Dorfbewohner den Blutsaugern nachsagten.
Flückinger, aufgrund ihm fehlender vernünftiger Erklärungen zu den sich ihm offenbarenden Dingen, ordnet daraufhin die Exekution der als Vampire verdächtigen Toten an: Ihnen werden die Köpfe heruntergeschlagen und die Körper anschließend verbrannt. Die Asche wird in den am Dorf vorbeifließenden Fluß Morava geworfen.
Der Bericht über die Geschehnisse wird von Johann Flückinger am 07. (Datum des Beginns der Untersuchung) bzw. am 26. Januar 1732 erstellt und von den Offizieren sowie den Unterfeldscheren der Untersuchungskommission gegengezeichnet. Unter dem Titel Visum et Repertum erhielt er dann im gleichen Jahr durch seine öffentliche Bekanntmachung, - zumal durch den anonymen Nürnberger Druck mit gleichnamigen Titel, - seine bis heute ungebrochene Berühmtheit, als einer der am Besten dokumentierten Fälle über Vampirismus. Der Seuchenarzt Glaser sandte seinen Bericht auch seinem Vater zu, der in einem weiteren Brief in der Geistlichen Fama vom Jahre 1732 seine Eindrücke von den serbischen Vampiren wiedergibt. Zu dem Medvegya-Fall ereignete sich zusätzlich in dem wenige Kilometer von diesem Dorf entfernten Flecken Kucklina gleichfalls ein Fall von Vampirismus, der durch den Brief eines Offiziers, der die Anfrage nach der Meinung eines hochgestellten Mediziners in Leipzig zu diesem Ereignis enthält, publik wurde.
Ich habe mir aus dem Wienerischen Hofkammerarchiv die handschriftlichen Dokumente Glasers und Flückingers kopieren lassen und neu transkribiert, da ich gedruckten Quellen nicht immer die Authentizität (in späteren Drucken können Druckfehler, Namensänderungen, Sinnverdrehungen, etc. entstehen) zusprechen kann, wie es das Original zeigt. Ich möchte diese Berichte hier mit Anmerkungen versehen wiedergeben. Wörter die mit ( ) ergänzt wurden, zeigten in der Originalhandschrift Abkürzungen, die 18. Jh. gebräuchlich waren, ein „ – " zeigt, wo in der Handschrift ein Wort getrennt ist. Soweit mir bekannt ist, sind diese beiden wichtigen Quellen noch niemals im Originalwortlaut veröffentlicht worden. Den Brief von Glasers Vater als auch das Gutachten der Preußischen Societät der Wissenschaften musste ich leider aus Druckerzeugnissen entnehmen, da mir handschriftliche Originale derzeit noch nicht zur Verfügung stehen. Sie stammen aus der eben erwähnten Geistlichen Fama und aus Michael Ranfts Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern. Den Brief des Fähnrich von Kottwitz an Dr. Ettmüller in Leipzig habe ich aus Putoneus’ Besondere Nachricht von denen Vampyren... entnommen.

Der Bericht Glasers aus Medvegya vom 12. Dezember 1731:

Bericht
Von der Dorffschafft Metwett an der Morava, wel-che sich beklagten eines sterbens, darauf Jch alß Physicus Contumaciae Caesarea (1) zu Parakin da-hin gegangen, selbiges Dorff von hauß zu hauß wohl und genau durchsuchte, und examinirete den 12. dbris. (2) 1731, allein darinnen keine ein-zige ansteckende Kranckheiten oder contagiose (3) zustände gefunden, als tertian, und quartan = Fieber (4), seithenstechen, und brust = beschwährnussen, welche alle von gehabten Depouchen (5) von ihrer Räzischen Fasten (6) herrühren. Da Jch aberwei-thers inquirirete (7), warumben sie sich dann also beschwähren, dass durch .6. Wochen .13. Persohnen gestorben seyen, und in was Sie sich beklagten, bevor Sie seynd abgeschieden, meldeten Sie inglei-chen, das seithenstechen und brust=beschwärnussen, auch Lang gehabten Fiebern, und glieder,,reissen, von welchen zuständen aber Sie vermeinen, die allzugeschwinde begräbnussen nacheinander nicht möglich seyn kann herzurühren : wohl aber weill die genannten Vambyres, oder bluth Seiger verhan-den seynd. Darauf Jch alß auch ihre eigene officiers nach aller möglichkeit ihnen es auß dem Sinn zu bringen in beyseyn des Führers von Kragobaz alß Corporalen v(on) : Stallada redeten, und explicireten (8) allein nicht möglich ihre opinion (9) zu benehmen ware, und sageten ehe Sie sich lass(en) dergestalten umbringen wollen Sie sich lieber auf ein anderes orth sezen Wie auch 2: xxx (10) 3. haüser nächtlicher zeit zusamben gehen, theils schlaffen, die andere wachen, es werde auch nicht ehender aufhören zusterben, biß nicht von einer Löbl: obrigkeit nach selbst aigener resolution (11) eine exe-cution denen benannten Vampyres angeschaffet, und angethann werde; dann bey lebs zeiten , waren in dem dorff zwey weiber, welche sich haben vervampyret, und nach ihren todt werden Sie ingleichen Vampyres, die Sie widerumb andere werden vervampyren, ge-sprochen, solchen ,,also,, (12) seynd vor .7. wochen gestorben, und per-tinaciter (13) die leüth darauf beharren, absonderlich auf jenes altes weib; dannenhero habe ich 10. gräber eröffnen lass(en), umb gründliche warheit zuberichten, und zwar erstlichen jenes altes weib, auf welches Sie sich steiften, den anfang gemacht zu haben, Mit nahmen Miliza. (14)
Vampyer met .50. Jahr, liegt .7. wochen, ist vor .6. Jahr-ren türckisch: saithen herübergekommen, und hat sich zu Metwett gesizet, allezeit nachbahrlich gelebet, niemahls wissend, ob Sie etwas habe Diabolisches ge – glaubet, oder gekünstlet, dürhägrichter constitution, währender lebs zeit aber gegen denen Nachbahren er-zehlet, Sie habe .2. Schaff gegessn in dem Türckisch(en): welche die Vampyres umbgebracht, dannenhero, wann Sie sterben werde, ingleichen ein Vampyer seyn wird, auf welche reden der gemeine Pevel ihre opinion vesti-glich gründet, solche Persohn Jch auch würcklichen geseh(en), und waillen selbe sollte vorhin einer dürhägrichtten Constitution des leibs seyn gewesen, alt von Jahren .7. wochen lang gelegen, in keiner truhen, sondern blossen feichten Erden, wäre nothwendig halbs schon ver-weesen zuseyn; allein Sie ware annoch vollkom(men) das Maul offen habend, das helle frische bluth auß Nasen und Maul heraußgeflossen, der leib hoch auf-geblas(en), und mit bluth unterloffen, Welches mir selbst Suspect vorkommet, und denen Luüthen nicht unrecht geben kann, nach entgegener eröff-nung einiger gräber, welche welche waren Jünger von Jahren, fetter Constitution bey lebenszeit, kurz vor außgestandener kranckheits zeit, und zwar ge-ringer kranckheit, alß solche alte, seynd also verwee-sen wie sich es auf einen rechtmässigen Leichnamb gehöret, das andere weib alß;
Vampyr mit Nahmen Stanno (15) ein weib in gebähren gestorben, das Kind auf die welt gebracht, aber auch gleich gestorben, ware alt .20. Jahre, liegt begra-bener 1. Monath, bekennete, und erzehlete gegen denen Nacbahren bey lebens zeit, dass Sie, da Sie noch in dem Türkisch:(en) ware, allwo die Vampyres auch sehr starcke Regiereten, umb Sie, vor solche zubeschützen, schmürbete Sie sich einstens mit eines Vampyres bluth wo Sie auch nach ihren Todt ein Vampyr wird werden ,,gesprochen,, (16) : welche also beschaffen ware, wie die erstere, ingleichen das unmun-dige Kind, und weillen dises Kind die Tauff noch nicht hat empfangen, haben Sie es nicht in den Freydhoff geleget, sondern hinter einem zauhn, alwo die Mutter hat gewohnet, welches ich auch gesehen habe. Jngleichen waren die andere also beschaffen, und kurz nacheinnan-der darauf gestorben, welche sich mit vervampyret haben, nach denen leüthen ihrer opinion, alß Vampyr: Milloi ein kerl von 14 Jahren, liegt .5. woch(en). Joachim ein Kerl von .15. Jahren, liegt .5. Wochen, seyn j. tag voneinander gestorben, alß vorgehabter De-pouchen ihrer Fasten bey einen Nahmens=tag eines dorff Heyduckhen, seynd ingleichen wie die anderen al-so beschaffen.
Ruschiza ein Weib von .40. Jahren, liegt .15. tag, ist halbs Suspect.
Nunmehro weillen jezige von jüngeren Jahren waren, kürzer von kranckheits affliction (17), und zwar sehr schlechterner, auch kürzerer zeit in grab liegen, gänz-lich, wie sich es gehöret, Verweesen seyn, sagen die Metwezer, warumb diese, und die andere nicht, da Sie viel stärcker corpulenter Jünger und frischer waren, alß die anderen, dannoch schon gänzlich verweesen seyn. Welche raison (18) nicht uneben scheinet, und seyn jenige, alß Milosowa von Heyduckhen seine Frau ware alt 30. Jahr liegt .3. wochen, ist von diese zeit zimblich verweesen, wie sich es gehöret, auch jenige, wie folgen.
Radi ein Kerl von 24. Jahren, liegt 3. wochen.
Wutschiza ein Jung von .9. Jahren, liegt j Monath.
Dannenhero bitten Sie unterthänig, es möchte doch von einer Löbl: obrigkeit eine execution nach gutt-achten dises malum abzuwenden ergehen , wo selbst ich vor gut halte, umb selbe unterthanen zubefridigen, dieweillen es ein zimbliches grosses dorff ist, dann in re ipsa (19) befindet es sich also.

Anmerkungen:
1. lat.: amtlich bestellter kaiserlicher Seuchenarzt
2. lat. Abk. für decembris, also Dezember
3. lat.: ansteckende
4. Ein Wechselfieber, das wie die lat. Bez. tertiar o. quartan, entweder alle drei oder vier Tage auftritt.
5. Verballhornung des frz.Wortes „débauche," was soviel wie „ausschweifende Schlemmereien" oder „Völlerei" bedeutet.
6. Die Rätzen hielten ein sehr strenges Fasten besonders in der Winterzeit ein, was, wie viele alte Berichte ausweisen, sehr oft zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führte.
7. lat.: untersuchte
8. lat.: erklärten, legten dar
9. lat.: Meinung, Ansicht
10. in der Handschrift ist hier das Wort „oder" durchgestrichen
11. lat.: Beschluss
12. Von gleicher Hand als Verbesserung das Wort „also" hinzugefügt.
13. lat.: Hartnäckig, Halsstarrig
14. In der Handschrift ist der Name dick unterstrichen.
15. Auch dieser Name ist im Original unterstrichen.
16. Wie oben, von gleicher Hand später hinzugefügt.
17. lat.: Trübsal, Not in diesem Sinne die Krankheitsbeschwerden.
18. lat.: Erkenntnis
19. lat.: in der Sache an sich


Der Bericht Johann Flückingers vom 07./26. Januar 1732:

Visum et Repertum (1)
Über die so genannte Vampyrs, oder Blut außsaugers, so zu Medvegya in Servien, an der türkischen Gräniz (2) den 7. Jan. 1732. geschehen.
Nachdeme die anzaigen beschehen, das in dem D. Medvegya, die soge-nannte Vampyrs, einige Persohnen, durch aussaugung des Bluts umbgebracht haben sollen: Als bin ich (auf hohe Verordnung eines allhiesigen Löbl. Obercommando) (3), umb die Sach vollständig zuuntersuchen, nebst darzu commandirten Hrr: Officirn und 2. unterfeldscheerern (4) dahin abgeschikht, und gegenvärtige Inquisition in beyseyn des der Stallater Heyduckhen Capitain Gorschiz, Hadnack, Barjactar (5) und ältesten Heyduckhen des dorffs folgendermaßen vorgenohmen und abgehört worden.
Welche dan einhellig außaag, das vor ohngefehr 5. Jahren ein hiesig Heyduckh nahmens Arnont Paole (6) sich durch einen Fall von einem Heüewag(en) den Hals gebroch(en), dieser hat bey seine lebs-zeiten sich öffters verlauten laßen, das er bey Cossova in dem Türkischenn Servien von einem Vampyren geplagt worden seye, dahero Er von der Erden des Vampyrs grab gegeßen, und sich mit deßen blut geschmiret habe, umb von der er-littenen Plag entledigt zuwerden, in 20. oder 30. Täg(en) nach seinem Todfall haben sich einige leüthe geklaget, das Sie von ged:nd Arnont Paole geplagt wurden, wie dan auch würkhl: 4. Per - sohnen von Ihme umgebracht worden.
Umb nun dieses übel einzustellen, haben Sie auf einrathen Jhres Hadnacks /: welcher schon vorhin bey degleich begebenheiten gewesen :/ disen Arnont Paole, in beyläuffig 40. Täg(en) nach seinem Todt ausgegraben, und gefunden, das Er ganz voll-kommen und unverwesen seye, auch Jhme das frische bluth zu denen Augen, Nasen, Mund, und ohren herausgefloßen, das Hemmt, übertuch und Truhen ganz blutig gewesen, die alte Nägl an Händen und Füßen, sambt d(er) Haut abgefallen, und dargeg(en) ander neüe gewachsen seye, weilen Sie nun daraus ersehen, das Er ein würckhlicher Vampyr seye, so haben Sie denselben nach Jhrer gewohnheit einen Pfahl durch das Herz geschlagen, worbey Er ein wohlvernehmlich Grächazer gethan, und ein häuffiges geblüt von sich gelaßen, worauf Sie den Cörper gleich selbig Tagt zu Aschen verbrennt, und solche in das grab geworffen. Ferners sag(en) obged: Leüthe aus, das alle die jenige/: welche von den Vampyrs geplagt, und umbgebracht würden:/ ebenfalls zu Vampyrs werden müßen, also haben Sie die obberührten virn Persohnen auf gleiche arth exequirt, dann füg(en) Sie auch hinzu, das diser Arnont Paole nicht allein die Leüth, sond(ern) auch das Vieh ange-griffen, und Jhnen das blut außgesauget habe. weilen die Leüth das Fleisch von solch(em) Vieh genuzet, so zeiget sich aufs neüe, das sich widerumben einige Vampyrs alhiren befinden, allermaßen in Zeit 3.n Monathen .17. Jung, und alte Persohnen mit Todt abgegang(en), worunter einige ohne vorhero gehabten Krankheit in zweyen od(er) längstens dreyen Tag gestorben, darbey meldt der Heyduckh Jovitza, das seine Schwiegern Tochter, nahmens Stanoika, vor 15. Täg(en) frisch und gesund sich Schlafen geleget, umb mitternacht abern ist Sie mit einem entsetzlich(en) geschrey, Forcht und Zittern aus dem Schlaff aufgefahren, und geklaget, das sie von einem vor 9. woch(en) verstorbenen Heyduckhens Sohn Nahmens Milloè seye umb den Halß gewürget worden, worauf Si großen Schmertzen auf d(er) Brust empfunden, und von stund zu stund sich schlechter befunden, biß sie endlich(en) den 3. Tag ge-storben.
Hierauf seynd wir denselbig(en) nachmittag auf den Freydhoff, umb die verdächtige gräbern eröffnen zu laßen, nebst denen offt gemelten altesten Heyduckh(en) des Dorffs ausgegang(en), die darinnen sich befindlich:(en) Cörper zuvisitiren, worbey nach sambtelichen Se-cirung sich gezeiget.
j.mo Ein Weib, Nahmens Stana, 20. Jahr alt, so vor 2. Monathen nach einer 3. Tägig(en) Krankheit Jhrer niderkunft gestorben, und vor Jhrem Todt selbsten ausgesaget, das sie sich mit dem Blut eines Vampyrs gestrich(en) hätte, folglich sowohl Sie als Jhr Kind/: welches gleich nach d(er) geburth gestorben, und durch leichtsinnige begräbnus von denen Hunden biß auf die Helffte verzehret worden:/ ebenfalls Vampyren werden müssen, ware ganz vollkommen, und unverwesen, nach eröffnung des Cörpers zeigete sich in cavitate pectoris (7) eine quan-tität frisches extravasirtes geblüeth (8), die Vasa, als arteriae et Venae nebst denen Ventriculis cordis (9) waren nicht/: wie es sonsten gewöhnlich:/ mit coagulirtem geblüeth impliret (10), die sambtlichen Viscera, als Pulmo, Hepar, Stomachus, Lien et Jntestina (11) waren darbey ganz frisch gleich bey einen gesunden Menschen, der Uterus (12) aber befande sich ganz groß und externe sehr inflammiret (13), weilen placendam, alß auch die Lochias bey Jhr geblieben, dahero selbiger putredine (14) ware, die haut an händen und Füßen, sambt den alten näglen fielen von sich selbsten herunter, herentgegen zeigeten sich nebst einen frischen und Lebhafften haut, ganz Neüe Nägl.
2.do ware ein Weib, Nahmens Militza, beyläuffig 60. Jahr alt, wel-che nach 3. Monathlich:(er) Krankheit gestorben, und vor etlich und 90. Täg(en) begraben worden, in der Brust befande sich viel liqui-des geblüet (15), die übrige Viscera waren gleich d(er) vorgemelten in einem guten stand, es haben sich bey d(er) Secirung die umbstehenden sambtliche Heyduckhen über Jhre Fette, und vollkommenen Leib sehr verwundert, einhellig außagend, das sie daß weib von Jhrer Jugend auf wohl gekennet, und Zeit Jhres Lebens ganz mager und ausgedörter außgesehen, und gewesen, mit nach-drüklicher vermeldung, das Sie in dem grab zu eben diser verwunderungs würdig(en) Fettigkeit gelanget seye, auch d(er)en Leüthen außaag nach, sollen si Jetzig(er) Zeit den anfang d(er)er Vampyren gemacht haben, zumalen Sie das Fleisch von denen Schaffen, so von denen vorhergehenden Vampyren umbgebracht worden, gegeßen hat.
3. tio befande sich ein acht Tägiges Kind, welches . 90. Tag im grab geleg(en), gleichermaßen im Vampyren stand.
4.to wurde Ein Heyduckh(en) Sohn Milloè 16. Jahr alt, außgegraben, so .9. woch(en) in d(er) Erden geleg(en), und nach 3. Tägiger Krankheit gestorben, gleich den and(ern) Vampyren gefunden.
5.to ist d(er) Joachim, auch eines Heyduckh Sohn .17. Jahr alt, in 3. Tägig(er) Krank-heit gestorben, nachdeme Er 8. woch(en) und 4. Tag begraben gewesen, befande sich bey der Section gleichergestalten.
6.to Ein Weib, Nahmens Ruscha, welche nach 10. Tägig(er) Krankheit gestorben, und vor 6. woch(en) begraben worden, bey welcher auch vill frisches geblüet nicht allein in d(er) Brust, sond(ern) auch in fundo ventriculi (16) gefunden habe, gleich-falls bey Jhrem Kind, so .18. Täg alt ware, und vor 5. woch(en) gestorben, sich gezeiget hat.
7.no nicht wenig(er) befande sich ein Mägdlein von 10. Jahren, welche vor 2. Monathen (17) gestorben, in obangezogenem stande ganz vollkommen und un-verwesen, und hatte in d(er) Brust viles frisches geblüeth.
8.oo hat Man des Hadnacks Eheweib sambt Jhren Kind außgraben laßen, welche vor 7. Woch(en) Jhr Kind aber so 8. Woch(en) alt ware, und vor 21. Täg(en) gestorben, darbey aber gefunden, das sowohl die Mutter als Kind völlig verwesen, obwohlen Sie gleich d(er) Erden und gräber d(eren) nächst gelegenen Vampyren gewesen waren.
9.no Ein Knecht des hiesigen Heyduckh(en) Corporals, Nahmens Rhade .23. Jahr alt, ist in 3. Monathlicher Krankheit gestorben, und nach 5. wochent-licher begräbnus völlig verweesen gefunden worden.
10.mo Des hiesig(en) Bariactars sein weib, sambt Jhren Kind, so vor 5. Woch(en) gestorben, waren gleichermassen völlig verweesen.
11.mo bey dem Stancko, Ein Heyduckh 60. Jahr alt, so vor 6. Woch(en) gestorben, habe ich ein häuffiges gleich denen and(ern) liquides geblüeth in d(er) Brust und Mag(en) gefunden,, d(as) ganze Corpos ware in offtbenannten Vamyren stand.
12.mo Miloè Ein Heyduckh 25. Jahr alt, so 6. woch(en) in d(er) Erden gelegen, befande sich gleich in anhgemelten Vampyren stand.
13.tio Stanjoicka, eines Heyduckh Weib, 20. Jahr alt, ist in 3. Tägig(er) Krank-heit gestorben und vor 18. Täg(en) begraben worden, bey d(er) Secirung habe ich gefunden, das Sie in dem angesicht ganz roth, und Lebhafter Farb ware, und wie oben gemelt, Sie von des Heyduckhens Sohn, Nahmens Miloè seye umb Mitternacht umb den Halß gewürget worden, sich auch aug(en)scheinlich gezeiget, das Sie Rechter Seithen unter dem ohr einen blauen mit Blut unterloffenen Fleckh eines Fing(ers) langs gehabt, bey Herausnehmung Jhres grabs floße eine quantität frisches geblüeth aus d(er) nasen, nach d(er) Secirung fande ich /: wie schon oft ge-dacht :/ ein rechtes balsamisches frisches geblüeth nicht allein in d(er) höl d(er) Brust, sond(ern) auch in Ventriculo Cordis (18), die sämtlichen Viscera befanden sich in vollkommenen gesunden und guten Statu, die untere Haut des ganzen Cörpers (s)ambt denen frischen nägln an Händen und Füssen waren gleichfalls ganz frisch.
Nach geschehener Visitaon seynd denen sambentlich(en) Vampyren die Köepf durch die dasige Zigeüners herunter geschlag(en), und sambt denen Cörpern verbrennt, die aschen davon in den Fluß Morova geworffen, die verwesene Leibern aber widerumb in Jhre vorge - habte gräbern geleget worden.
Welches hiemit nebst denen mir zugegebenen unterfeldscherer bekräftigen. Actum ut supra (19).
(L: S: Joh: Flückinger, Regts Feldscherer, Löbl: Baron Fürstenbusch: Regmts zu Fueß.
(L: S: Siegell (20), Feldscherer von Löbl: Marullsch: Regt.
(L: S: Johann Frid: Baumgarten, Feldscherer Löbl: obrist Bar: Fürstenbusch: Regt zu Fueß.
Wir Ends unterschribene attestiren hiemit, wie das alles das jenige, so d(er) Regts Feldscherer von Fürstenbuschichen Löbl: Regt, sambt beyden neben unterzeichneten Feldscherers gesellen hiroben denen Vampyren betreffend, in augenschein genohmen, in allen und jeden d(er) Wahrheit gemäß, und in Unserer selbst eigener gegenwarth vorgenohm-en, Visitiret, und examiniret (21) worden, zur deßen Bekräfftigung ist Unsere aigenhändige unterschrift und Fertigung. Belgrad, den 26.n Jan: 1732.
(L : S : Büttner oberLeüth: Löbl: Alexandersch : Regts
(L. S: JH v Lindenfels, Fähnrich Löbl: Alexandsch: Regts


Anmerkungen:
1. lat. In Augenschein genommen und berichtet
2. Türkische Grenze
3. als Randnotiz hinzugefügt
4. Feldschirurgen
5. Hadnack. ungar. Hadnagy = Leutnant, Barjactar, der Dorfoberste
6. Ich habe in der Transkribierung die Schreibweise Arnont Paole gewählt, da die Schrift jedoch zweideutigkeiten zulässt, ist auch die Lesart Arnaut Pavle möglich. Die Namensvariante Arnold Paole findet sich im Gutachten der Preußischen Societät der Wissenschaften über den Medvegya – Fall, als auch in anderen gedruckten Quellen wieder, ist aber so, wenn man den handschriftlichen Bericht in betracht zieht, offensichtlich falsch.
7. in der Brusthöhle
8. eine Menge frisches aus den Adern getretenes Blut
9. Gefäße, Arterien, Venen, Herzkammern
10. mit geronnenem Blut angefüllt
11. sämtliche Eingeweide, wie Lunge, Leber, Herz, Milz, Magen und Gedärme...
12. Die Gebärmutter
13. äußerlich entzündet
14. Plazenta und Lochien (das sind die Eihäute und der Blutfluß direkt nach der Geburt) in völliger Fäulnis
15. flüssiges Blut
16. im Magen gefunden
17. Im Original: vor 8 Monathen, jedoch von gleicher Hand verbessert in 2.
18. in der Herzkammer
19. So geschehen wie oben berichtet
20. Schreibweise des Namens nicht sicher. In der Handschrift ist es möglich ihn als Siegell oder Siegele zu lesen, ersteres favorisiere ich aber.
21. untersucht und geprüft



(Ein Hinweis noch für diejenigen, denen die Dokumente zu schwierig erscheinen: Bearbeitete und vereinfachte Wiedergaben der Texte Glasers und Flückingers lassen sich in Klaus Hambergers Mortuus non mordet finden. Ich werde aber zu gegebener Zeit grammatikalisch bereinigte Versionen auf meiner Homepage einstellen, so dass man sie auch online unproblematischer lesen kann.)



Der Brief von Glasers Vater, wie er in der Geistlichen Fama, Achtes Stück vom Jahre 1732 zu finden ist:

Im verwichenen Jenner hat mir mein Sohn, vielleicht einen Gefallen zu erweisen, eine Zeitung aus Servien in Form einer Relation überschrieben, worinnen er bezeuget, dass er persönlich dabey gewesen, und alles genau eingesehen und untersucht habe: wie dass zu Madvega, einem Dorf unweit Berakin (1), wo mein Sohn als Medicus stehet, eine Magische Seuche sich habe hervorgethan, da die verstorbene und begrabene Leute aus denen Gräbern und Tüchern unverletzt bey der Nacht aufstehen, durch verschlossene Thüren eingehen, die schlafende Leute im Bette überfallen, ihnen das gantze Geblüt außsaugen, also dass sie den 3. Tag sterben. Diese also umgebrachte Leute stehen auch aus den Gräbern auf, und saugen gleichfalls andere gesunde Leute aus. Da nun diese Seuche eingerissen, gab die Generalität zu Belgrad ordre, die Sache recht zu untersuchen, und wurden nebst 2 Deputirten, etliche Feldscherer hingesandt, welche mit Zuziehung meines Sohns des Dorfs Richter und Geschworene zusammenrufen liessen, um der Sache Beschaffenheit zu vernehmen, die dann alles bestätiget haben. Sie eröffneten die Gräber, fanden 11 Personen Leiber, die gantz unverweset waren, als ob sie lebend dalägen. Man nahm sie völlig heraus und öffnete sie. Vor der Oeffnung sahe man den Sarg, das Uebertuch und Kleidung, voll Geblüt, und auch das Blut ihnen aus der Nasen, Mund, Pudendis (2), heraus tropfen. Nach der Oeffnung der Leiber war Brust und Magen frischen Blutes voll, und die Ingeweyde gantz gesund. Man hat sie geköpft und verbrannt, ja die Asche in das Wasser geworfen. Weil dieses alles von meinem Sohn in das Colleg. San.(3) Und die Regierung weitläuffig eingesandt worden, so giebts Gelegenheit zu vielem Forschen.
Mir kamen aber nur 2 Moral – Refelexionen bey: Weil die Menschen wie das Vieh in der Lust dahinleben, ohne Glauben, dass Gott und ein ewiges Leben sey; so will Gott ein Zeichen denen groben Sinnen geben, dass die Leiber wieder können leben. Weiter soll vorgestellet werden im Grab, wie auser demselben die gantze Welt Blutsauger sey, und einer des andern Schinder abgebe.


Anmerkungen:
1. Verballhornung des Ortsnamens Parakin.
2. lat. Geschlechtsteile
3. Gemeint ist das Collegium Sanitatis in Wien.



Der Brief des Fähnrich Kottwitz an Dr. Ettmüller in Leipzig, den Vampir – Fall von Kucklina betreffend:

Hoch=Edelgebohrner,
Hochgeehrter Herr Doctor.
Ich nehme mir die Freyheit denenselben einen Casum (1) zu communicieren (2), welcher sich zwar schon vor längstens iedoch ietzo besonders in unserm Königreich Servien ereignet, welchen Ew. Hoch-Edelgebohrnen aus beygelegter Relation (3) des dasigen Ortes von einem Löblichen Ober=Commando angestellten Commission des mehresten ersehen werden. Es werden solche Aeser in der Türckischer Sprache Vampyren oder Menschen=Sauger genennet, welche capable (4) seyn in kurtzer Zeit ein gantzes Dorf an Menschen und Vieh zu ruiniren, deßwegen fast täglich häuffige Klagen bei hiesiger Regierung einlauffen. Es hat sich noch ausser dem darinnen benennten Dorffe Medwedia auf einem andern Kuklina zugetragen, welches auch dasige Einwohner Eydlich bekräfftigen, dass zwey Brüder von so einem Vampyren zu Nachtzeit geplaget worden, weßwegen einer um den andern gewachet, da es denn wie ein Hund die Thür geöffnet, auf anschreyen aber gleich wieder davon gelauffen, bis endlich alle beyde einmahl eingeschlaffen, da es denn dem einem in einem Augenblick einen rothen Fleck unter dem rechten Ohr gesauget, worauf er in drey Tagen davon gestorben, und was noch abscheulicher; so ist als ein gestern beerdigter Heyducke folgende Nacht zu seinem Weibe gekommen, solche ordentlich hergenommen, welche solches gleich Tages darauf dem Hadnack selbigen Orts angedeutet, mit Vermelden, daß er seine Sache, so wohl, als bey Lebzeiten verrichtet, ausser, daß der Saamen gantz kalt gewesen, davon schwanger worden, und nach gewöhnlichen Termino derer 40. Wochen ein Kind gebohren, welches die völlige Proportion eins Knabens, iedoch kein einiges Glied hatte, sondern wie ein pures Stücke Fleisch gewesen, auch nach dreyen Tagen wie eine Wurst zusammen geruntzelt. Weiln man hier nun ein ungemeines Wunder daraus machet, als unterstehe mich Dero Particular-Meynung (5) mir gehorsamst aus zu bitten, ob solches etwas sympathetisches (6), teuflisches, oder astralischer Geister Wirckung sey, der ich mit vieler Hochachtung verharre
Ew. Hoch=Edlen
Meines Hochgeehrtesten Herrn Doctoris
Gehorsamster Diener.
Sieg. Alex. Fr. von Kottwitz
Fähndrich des Löbl. Printz Alexandr. Regiments.
Belgrad den 26. Jan. 1732.


Amerkungen:
1. lat.: Fall
2. lat.: mitzuteilen
3. lat.: Bericht
4. frz.: fähig; im Stande sein
5. lat.: detaillierte
6. etwas unsichtbar wirkendes



Das Gutachten der kgl. Preußischen Societät der Wissenschaften über die serbischen Vampire:

Gutachten
Der Königl. Preußischen Societät derer Wissenschaften von denen Vampyren oder Blut=Aussaugern.
Allerdurchlauchtigster, Großmächtiger König, Allergnädigster König und Herr etc.
EW. Königl. Maj. Ist es allergnädigst gefällig gewesen, durch den Vice-Präsidenten, Graffen von Stein, das in Original hierbey kommende Protocoll, die so genannten Vampyrs, oder Blut=Aussauger zu Medwedia in Servien betreffend, uns communiciren (1) zu lassen, mit allergnädigsten Befehl hierüber an Dieselbe unser unvorgreiffliches allerunterthänigstes Gutachten zu erstatten. Sothanen allergnädigsten Befehl zu allergehorsamster Folge haben wir uns den 7ten dieses hierüber zusammen gethan, das Factum verlesen, die darinnen angeführten Umstände reifflich erwogen, und uns darauf nachstehenden Gutachtens verglichen. Was nun anfänglich das Protocoll an und vor sich selbst betrifft, enthält selbiges allerhand, theils solche Facta, welche denen Commissarien nur von andern berichtet worden, theils aber auch solche, die von ihnen selbst untersuchet, und was sie bei Ausgrabung und Inspection der Cörper würcklich befunden haben; dahero denn unsers wiewohl unmaßgeblichen Ermessens nach Anleitung des Protocolli ein Unterscheid zu machen, 1. unter denjenigen Factis, so denen Commissarien von andern Leuten referiret (2), und 2. in Ansehen der übrigen von ihnen angeführten Factorum, welche gedachte Commissarien abgehöret, ingleichen was sie gesehen, examiniret (3), und mit allen Umständen niedergeschrieben haben. Bey dem erstern Artickel, und demjenigen, so Zeugen von dem Heyducken Arnold Paole, und wider selbigen angeführt, ist derselben Aussage general und summarisch, ohne Specificirung der Zeit und des Orts, und auff was Weise, auch gegen wen Arnold Paole deponirter (4) massen sich heraus gelassen. Es lässet sich auch aus der Ausgrabung und denen an dieses Paole Cörper befundenen Blute, Nägeln an Händen und Füssen, auch dem bei Durchschlagung des Pfahls durchs Hertz angemerckten Geröchzer oder Laute, auff die Vampyrschafft kein bündiger Schluß machen, massen denn die erstern Phaenomena ihre natürlichen Ursachen haben, das Geröchzer und der Laut aber wegen der in der Cavität (5)des Hertzens annoch befindlichen ausgebrochenen Lufft geschehen sein kann. Übrigens ist gewiß, daß die Erscheinung dieser Blutsauger, auch worinne selbige bestanden, mit nichts dargethan, und wir keine Spuren davon in der Historie, und in den hiesigen so wenig, als anderen Evangelischen Landen, jemals gefunden, ausser daß in den vorigen Zeiten hin und wieder von Einschluckung der Grabe=Tücher und Schmatzen in den Gräbern Erzehlungen geschehen, solches aber bey der Untersuchung unrichtig befunden, und als ein schädlicher Irrthum und Aberglaube verworffen worden. Bey dem zweyten Punct lassen wir zwar die Untersuchung der Commissarien in ihrem Werthe beruhen, wir können aber dabey nicht unangezeigt lassen, daß so viel die von ihnen so genannte Stana betrifft, selbige laut Protocolli im 20. Jahr ihres Alters, und allererst vor zwey Monathen von Zeit der Inquisition zu rechnen, NB. Nach dreytägiger Kranckheit ihrer Niederkunfft gestorben, bey welchen Umständen denn ietztgedachte Stana, bevorab da selbige zu Anfang des Winters allererst begraben, zu der angegebenen Zeit unverweset seyn können, ohne daß man nöthig habe, ihre Aussage wegen der Vampyrschafft statt finden zu lassenk, wie denn auch nichts ungewöhnliches, daß die Sehnen und Blut=Adern nebst der Hertz=Cammer bei denen natürlich Verstorbenen mit keinem geronnenen Geblüthe angefüllet; ingleichen daß bey andern dergleichen Verstorbenen Lunge, Leber, Magen, Miltz, und das übrige Eingeweide nicht sonderlich angegangen, und vermuthlich wie bei obigen so genannten Vampyrs gefunden, ob gleich selbige keine Vampyrs gewesen, noch iemahls etwas verdächtiges von ihnen ausgesagt worden; Ebenermassen hat das Wachsen der Nägel und Haare, so denen Vampyrs als eine besondere Eigenschafft beygeleget wird, in so weit seine natürliche Ursachen, daß, wenn andere Umstände dabey concurriren, und in genaue Erwegung gezogen werden, nichts miraculeuses (6) dabey verhanden seyn werde, wovon man Exempel anführen könte, iedennoch aber Kürtze halber solches aussetzen wollen. Was weiter von einer Frauens=Person, Nahmens Militza, angeführet wird, daß selbige vieles liquides (7) Geblüthe und gesundes Eingeweide gehabt, unter andern auch an statt ihrer magern Leibes=Complexion (8) fett und vollkommen gewesen, so ist bereits in Ansehung des ersten geantwortet; was aber die Veränderung des Cörpers anbelanget, kan dergleichen anscheinende Fettigkeit aus einer faulenden Iährung geschehen seyn, wie denn auch, was bey denen folgenden Numeris von denen unverweseten Cörpern angezeiget wird, solche seine natürlichen Ursachen haben kan, indem nach Art und Beschaffenheit der Kranckheit und des Cörpers, der Iahrs=Zeit, des Alters etc. ein Cörper vor dem andern der Fäulniß eher oder später unterworffen; und ist übrigens am meisten zu desideriren (9), daß bei dieser Untersuchung in Ansehung der Leute, welchen das Blut ausgesogen seyn soll, kein lebendig Exempel, noch weniger aber die Art, wie selbiges geschehen? ingleichen ratione (10) der Erscheinungen keine Spuren gezeigt werden, massen denn das Exempel von der Frauens=Person Stanoicka, und dessen, was ihrem Angeben nach mit dem verstorbenen Millove ihr begegnet, um so viel weniger zu attendiren (11), als dergleichen Weiber, wenn sie von melancholischer Complexion, zu nächtlicher Zeit in Träumen und sonsten sich allerhand fürchterliche Gesichter vorstellen können. Aus diesem eintzigen Exempel aber auff die Würcklichkeit dieser Erscheinung und die Aussaugung an und vor sich selbst kein Schluß zu machen ist. Letztlich ist insonderheit hierbey anzumerken, daß die bisherige Blame (12) der Vampyrschafft nur auf lauter arme Leute gebracht, und man ohne vorgängiger umständlichen, wenigstens aber uns nicht communicirten Untersuch= und Erörterung die Todten in den Gräbern geschimpfft, und als Maleficanten (13) tractiret (14) worden. Bey welcher der Sachen Bewandtniß denn wir davor halten, daß man bey dieser Quaestion (15) behutsam zu verfahren, und noch zur Zeit nicht glauben kan, daß dergleichen Aussaugung von den todten Cörpern geschehe, auch selbige ihre Qualität durch die Aussaugung, oder den Gebrauch ihres Bluts, und der Erde von denen Gräbern, worinnen sie liegen, nicht fortpflanzen können, noch weniger aber, daß man sich der darwider adhibirten (16) Mittel der Exequirung (17) dieser Todten mit Effect gebrauchen könne.
Welches Ew. Königl. Maj. wir unserer allerunterthänigsten Obliegenheit nach zu referiren nicht ermangeln sollen. Die wir in unterthänigster Devotion beharren
Ew. Königl. Maj.
Berlin, den 11. Mart.
1732
alleruntertänigst=treugehorsamste
Zur Königl. Societät derer Wissenschaften verordnete Vice-Praesident, Doctoren u. Mit=Glieder.


Anmerkungen:
1. lat.: mitteilen
2. lat.: berichtet
3. lat.: untersucht
4. lat.: nachgewiesener
5. lat.: Höhlung
6. lat.: wunderbares
7. lat.: flüssiges
8. lat. : Beschaffenheit
9. lat.: vermissen
10. lat.: in Betrachtung
11. lat.: Acht geben
12. üble Nachrede
13. lat.: Verbrecher, Übeltäter
14. lat.: behandelt
15. lat.: Frage
16. lat.: gebrauchen, anwenden
17. lat.: Hinrichtung

Montag, 6. Oktober 2008

Michael Ranft und die Leipziger Vampirdebatte


Bettina Meister, Herausgeberin des Online-Magazin Zauberspiegel, hat heute einen Artikel über Ranfts Tractat von dem Kauen und Schmatzen online gestellt. Denjenigen, die sich für die Hintergründe zum Buch hinteressiert, sei auch mein zeitgleich erschienener Artikel zur Leipziger Vampirdebatte empfohlen.