Mittwoch, 21. Januar 2009

Weitere Infos zu Nicolas Rémy’s Daemonolatria (4/2009)


Im April diesen Jahres erscheint mit Nicolas Rémy’s Daemonolatria eine weitere Neuausgabe in meiner Buchreihe "Schriften aus vergangener Zeit" im Ubooks-Verlag.
Die Daemonolatria ist ein Buch, das mir persönlich sehr am Herzen liegt, nicht nur, weil es sich mit einem sehr spannenden Thema beschäftigt, sondern auch, weil es seinen Handlungsraum in meiner Heimat, dem saarländisch – lothringischen Raum, hat.
Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts fanden in den benachbarten Herrschaftsgebieten des Kurfürstentums Trier und des Herzogtums Lothringen die intensivsten Verfolgungen gegenüber Hexen und Zauberern in ihrer vielhundertjährigen Geschichte statt. Insgesamt, so schätzt man heute, fanden in den beiden Herrschaften im Zeitraum von 1575 – 1600 jeweils ungefähr 2000 – 3000 Hinrichtungen von wegen Zauberei und Hexerei verurteilten Personen statt. Daneben gab es noch eine weit höhere Zahl von Prozessen, die wegen dieser Anklagepunkte in die Wege geleitet wurden, in denen es aber zu keinen Verurteilungen kam.Im Trierer Herrschaftsgebiet, einem geistlichen Fürstentum, oblag die Sorge um das "Hexereiproblem" dem dortigen Weihbischof Peter Binsfeld; er verfasste gegen Ende der Verfolgungswelle ein vielbeachtetes Buch über das Hexenwesen, dass in seinem Aufbau dem des Malleus maleficarum gleicht.Im Herzogtum Lothringen besorgte die weltliche Obrigkeit, ganz besonders Herzog Charles III. die Verfolgung und Aufspürung zauberischer Personen. Dem Herzog war sehr daran gelegen, dass seine Gerichte "scharf" wider die vermeintlichen Hexen vorgingen.
Ein besonderer und für uns interessanter Umstand ist, dass Lothringen zwei Sprachgruppen vorzuweisen hatte, die französische und die deutsche, wovon die erstere wohl zwei Drittel der Bevölkerung ausgemacht haben dürfte. Das Gesetzbuch war sowohl in französischer als auch in deutscher Sprache verfasst. Auch in der Daemonolatria bekommt man den deutschsprachigen Bevölkerungsanteil zu spüren - viele der Angeklagten tragen deutsche Namen, und einige im Buch vorkommende (damals lothringische) Orte befinden sich im heutigen Saarland.Lothringen war, im Gegensatz zu anderen Herrschaftsgebieten innerhalb des damaligen Deutschen Reiches, für diese Zeit erstaunlich gut organisiert, auch im Bereich des Gerichtswesens. In den Hauptstädten der drei Provinzen, in die das Herzogtum unterteilt war, gab es eine Zentralregierung mit einem obersten Gericht, welches den kleineren Gerichten der Dörfer übergeordnet war. In Nancy, der Hauptstadt Lothringens und dem Regierungssitz Herzog Charles, befand sich der sogenannte Change, das oberste Landesgericht. An den Change mussten alle im Lande Lothringen verhandelten Halsgerichtsprozesse, d. h. alle Prozesse, in denen es um Leben oder Tod des Angeklagten ging, überwiesen werden, und dort wurde nach Sichtung der Umstände auch das Urteil festgelegt. Auch musste es dem Change überlassen werden, zu entscheiden, ob die Tortur zur Wahrheitsfindung in einer gerichtlichen Angelegenheit angewendet werden durfte oder nicht. Dieses Gericht hatte also zu jener Zeit eine ungeheure Machtbefugnis, musste sich jedoch auch gleichzeitig streng an das geltende Landesrecht halten. In der Zeit von 1576 – 1591 bestand der Chamge aus lediglich drei Richtern und dem Gerichtsvorsitzenden. Einer dieser Richter war Nicolas Rémy. Dieser stammte ursprünglich aus der südlich von Nancy gelegenen Kleinstadt Charmes, wo sein Vater bereits eine Stellung am dortigen Gericht inne hatte. Nicolas Rémy‘s Geburtsjahr ist unbekannt, aber man rechnet (sich auf seine eigenen Angaben, die er in der Damonolatria macht, stützend) mit dem Zeitraum zwischen 1525 und 1530. Als junger Mann trat er in die väterlichen Fußstapfen und begann sein Jurastudium in Frankreich, da es zu jener Zeit in Lothringen noch keine Universität gab. Nach seinem Studium erhielt er das Amt des obersten Richters der Provinz Vosges, wurde aber wegen seiner Gelehrtheit und seines guten Charakters von Herzog Charles bald nach Nancy als Richter am dortigen Change beordert. In dieser Zeit zwischen 1576 – 1591, in welcher Rémy dort sein Amt ausübte, kamen ihm hunderte von Prozessen wider der Zauberei angeklagte Personen zu Händen, über die er dann mit zu entscheiden hatte. Am Ende seiner Gerichtstätigkeit wurde er von Herzog Charles dazu aufgefordert, ein Buch über seine Erfahrungen in den Hexenprozessen zu schreiben. Rémy gehorchte und beschrieb in den drei Büchern der Daemonolatria, was ihm bei den Prozessen besonders ins Auge gefallen ist: Er gibt den damals fest verankerten Hexenglauben wieder und beschreibt die Sabbate, die Teufelsverehrung und die Verbrechen, die die Hexen dem allgemeinen Glauben nach verübt hatten, lässt dabei jedoch immer wieder eigene Erlebnisse und Erfahrungen einfließen. So gibt er rückblickend und belehrend eine Unzahl von Beispielen über alle Bereiche der den Hexen zur Last gelegten Taten wieder. Sein Buch hat einen starken autobiographischen Charakter, und ist keineswegs auf das "Lehrbuch für Hexenjäger" zu reduzieren, als welches es immer gerne dargestellt wird. Durch seine persönliche und lebendige Darstellungsweise des Hexenwesens wurde sein Buch damals ungeheuer populär.Nach seinem ersten Erscheinen im Jahr 1595 erlebte die Daemonolatria bis zum Jahre 1698 mehrere Auflagen und verdrängte als Handbuch vielerorts den Malleus maleficarum.
In meiner Ausgabe der Daemonolatria wollte ich die umfassendste und beste ihrer Art schaffen, und da seit 1698 keine deutsche Ausgabe von Rémy’s Werk mehr erschienen war, schien es mir an der Zeit, eine Neuübersetzung dieses geschichtlich so wertvollen Buches in einem moderneren Deutsch in Angriff zu nehmen. Gesichtet wurden hierzu die lateinische Erstausgabe von 1595, die deutsche Erstausgabe von 1598 sowie vergleichend die englische Übersetzung Montague Summers und die französische der Universität Nancy.
Die Arbeit an der neuen deutschen Ausgabe währte insgesamt 18 Monate, - aber ich denke, dass sich die Mühe gelohnt hat!
Ein weiteres Anliegen dieser Ausgabe ist aber auch das Beseitigen von falschen Meinungen, die im Laufe der Zeit über die Person Nicolas Rémy’s entstanden sind. Um seine Person ranken sich auch heute noch die unglaublichsten Mythen - die erschreckenderweise sogar in das eine oder andere "Standardwerk" Eingang gefunden haben. So wird er zum Beispiel des öfteren als abergläubischer Sadist dargestellt, der die der Zauberei Angeklagten aus Freude am Quälen folterte und zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilte. Bei der Lektüre der Daemonolatria stellt man jedoch fest, dass nichts falscher ist als das. Er war weder Sadist, noch trieb er Menschen im Gefängnis vorsätzlich in den Selbstmord. Die Folter musste er zwar als gesetzlich vorgeschriebenes Mittel zur "Wahrheitsfindung" anwenden, da ohne ein Geständnis keine Verurteilung möglich war, dennoch kann man ihn keinesfalls nachsagen, dass ihm dies behagt hätte. Rémy war auch kein Befürworter von gegen Kinder geführten Halsgerichtsprozessen und hegte keinerlei abergläubische Gedanken. Im Gegenteil bekämpft er in seiner Schrift vielmehr vehement den im Volk verankerten Aberglauben und verurteilt ihn mit scharfen Worten. In seinem Buch schreibt Rémy, dass er anfänglich selbst nicht an die Existenz von Hexen oder Hexerei glaubte, und dass er zu dieser Überzeugung erst im Laufe der Jahre und nach unzähligen Gerichtsprozessen gelangte. Übrigens nicht dadurch, dass eine "Hexe den Tod seines Sohnes verursacht hatte", wie auch fälschlich behauptet wird, - zum Zeitpunkt des Erscheinens der Daemonolatria waren seine drei Söhne wohlauf und von weiteren Söhnen ist nichts bekannt. Und natürlich hat Rémy sich nicht im hohen Alter selbst der Hexerei bezichtigt und wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt, wie man immer noch an einigen Orten lesen kann; - er starb im Jahre 1612 friedlich und geachtet in seinem Bett.

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