Mittwoch, 17. September 2008

Bericht über einen Nachzehrer in Martin Luthers Tischreden

Als ein naher Verwandter des blutsaugenden Vampirs in den slawischen Ländern Europas ist der mehr im deutschsprachigen Raum vertretene sogenannte Nachzehrer anzutreffen. Über diese unruhigen Leichname finden sich besonders in den vergangen Pestzeiten viele Beispiele. Besonders interessant ist hierbei, dass sogar der große Reformator Dr. Martin Luther von dem Pfarrer Georg Rörer gebeten wurde, seine Ansichten zu diesem Phänomen zu offenbaren. Niedergelegt findet sich die Antwort Luthers in J. Aurifaber’s Tischreden oder Colloquia / D. M. Luther, Eisleben 1566 fol. 298:

Wunderbarliche Historie vom Teufel / der die Leut betrug und wuergte.

Randglosse: Des Teufels betrug mit dem umb sich fressen in Grebern

Es schreib ein Pfarherr M. Georgen Rörer gen Wittenberg / Wie ein Weib auff einen Dorff gestorben were / und nu weil sie begraben / fresse sie sich selbs im Grabe / darum weren schier alle Menschen im selben Dorff gestorben / Und bat / er wollte D. Mart. Fragen / was er dazu riete / Der sprach / das ist des Teufels betriegerey und bosheit / wenn sie es nicht gleubeten / so schadete es jnen nicht / und hielten es gewiss für nichts anders / denn für des Teufels Gespenst. Aber weil sie so abergleubisch weren / so stürben sie nur jmerdar je mehr dahin. Und wenn man solchs wüste / solt man die Leute nicht so freventlich ins Grab werffen / sondern sagen / Da friss Teufel / da hastu gesaltzens / du betreugest uns nicht.

Randglosse: wonach der Teufel furnemlich fischet

Und sprach D. M. Luther weiter / Der Teufel will kurtzumb gefurcht / geehret und angebetet sein / Es ist ein sehr hefftiger stoltzer Geist / kann nicht leiden / das man ihn will verachten. Also befahl ich auch / sprach D. Martinus / man solt dem Pfarherrn wider schreiben / das sie es gewis sollten dafuer halten und gleuben / Es were kein Gespenst oder Seele / sondern were der Teufel selbs. Darumb sollten sie in die Kirche zusammen gehen / und Gott bitten / er wolt jnen jre Suende vergeben umb Christus willen / und dem Teufel wehren.

Martin Luther gibt in seiner Antwort an Georg Rörer zu verstehen, dass nicht der Leichnam die Schuld am Dahinsterben der Menschen trage, sondern dass das Fressen und Schmatzen im Grabe ein Blendwerk des Teufels sei und dieser allein die Schuld daran trage. Die Menschen glaubten an die Betrügerei des Teufels und verfielen in eine Angst, dass sie davor stürben. - Würden sie nicht daran glauben, so würde ihnen auch nichts geschehen. Der Reformator verneint also in seiner Antwort rigoros die Existenz eines Nachzehrers und greift damit der Naturwissenschaft des 18. Jahrhunderts schon vor, nur dass diese späterhin zudem jegliche teuflische Beteiligung abstritten.

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