Sonntag, 21. September 2008

Die Vampirplage in Hermsdorf / Oberschlesien im Jahre 1755

Ein gut dokumentierter historischer Fall von Vampirismus ist mir vor kurzem zu Händen gekommen. Stattgefunden hat er im Jahre 1755 in dem kleinen Flecken Hermsdorf (auch Hermersdorf) in Oberschlesien. Den Anfang der Plage verursachte eine gewisse Rosa oder Rosina Polakin, die in jener Gegend als eine Hexe mit Wunderkuren ihren Lebensunterhalt verdiente und zweieinhalb Jahre zuvor verstarb. In der Folgezeit soll sie viele andere Dorfbewohner als Vampir getötet haben, die darauf gleichfalls wieder zu Vampiren wurden. Die Angelegenheit wurde dann Anfang Februar 1755 untersucht und mit den vampirischen Leichen schließlich in bekannter Manier verfahren. Doch ist der Ausgang der Affäre besonders interessant, da dies bisher der einzige mir bekannte Fall aus dem 18. Jahrhundert ist, der für die Ausführenden der Vampirexekution ein Nachspiel hatte: Von staatlicher Seite wurde gegen diese Personen aufgrund des sogenannten „Vampirerlasses“ der Kaiserin Maria Theresia vom 01. März 1755 strafrechtlich vorgegangen. Dieser Erlass der Kaiserin erfolgte auf den Bericht der kaiserlichen Ärztekommission, die den Fall im Auftrag Maria Theresias untersuchten. Der kaiserliche Leibmedicus Gerhard van Swieten, verfertigte darüber ein Gutachten und drängte die Kaiserin dahin, Vampirexekutionen, genauer gesagt unerlaubte Öffnung von Gräbern, und die daraus folgenden Leichenschändungen unter Strafe zu stellen, um so dem „Aberglauben“ des Volkes abzuhelfen. Der Erlass der Kaiserin beinhaltete nun dies, mit dem Zusatz, dass solche Fälle von vermeintlichen blutsaugenden Toten angezeigt werden müssen und dann gegebenenfalls die dafür zuständigen staatlichen Stellen die Angelegenheit untersuchen sollten.
Die Berlinische Priviligirte Zeitung vom Donnerstag, den 02. April 1755 schreibt folgendes:

Aus Oberschlesien, vom 16. Merz.
Die berüchtigten Blutsauger, oder sogenannte Vampyrs, haben lange nichts von sich hören lassen; nunmehro aber kann man aus hiesiger Gegend folgende zuverlässige Nachricht davon erteilen. Schon vor 2 und einem halben Jahr, verstarb zu Hermsdorf oberhalb Troppau eine Weibsperson, welche man in ihrem Leben die Tyroler Doctorin genennet. Diese Weibsperson curirte auf dem Lande herum, und konnte dabey allerhand vermeintliche Zauberkünste bewerkstelligen. Man sagt, sie habe vor ihrem Absterben, ihren Mann aufgetragen, nach ihrem Tode ihren Kopf abzuhauen, und sie nicht auf den Katholischen Kirchhof begraben zu lassen. Immittelst hat sich bald nach ihrem Absterben allerhand geäussert, davon man überzeuget worden, sie sey eine Vampyre gewesen; wie denn nach und nach in dem Dorfe Hermsdorf viele Personen gestorben, von denen man glaubete, dass sie von Blutsaugern zu Tode gequälet worden. Da dieses Uebel weiter gieng, und mehrere Personen sturben, auch dabey verharreten, dass die Vampyrs ihren Todt verursacheten, so wurde allerhochst verordnet, eine Untersuchung gerichtlich anzustellen, die dahin ausfiel, dass man die als Blutsauger in Verdacht gerathene Personen, diesem allerhöchsten Obrigkeitlichen Befehl zufolge ausgraben sollte, und wurden an der Zahl 30 ausgegraben; 10 davon wurden unschuldig befunden, und wieder verscharret; bey 19 erwachsenen Personen aber, und einem Kinde, wurde noch Blut befunden, ohngeachtet die Leichname 1 Jahr, auch etliche 2 Jahr und drüber bereits in der Erde gelegen hatten; diesen wurden als Vampyrs erstlich die Köpfe abgehauen, das Herz durchstossen, und sodann die Cörper zu Aschen verbranndt. Diese Execution ist auf Kayserl. Befehl vor 6 Wochen in dem Dorfe Hermsdorf geschehen, wozu Knechte und Scharfrichter von Troppau, Jägerndorf, Teschen und umliegenden Orten zugezogen worden.

Die Folgen des Erlasses Maria Theresias zeigt die Ausgabe der Berlinischen Priviligirten Zeitung vom 08. Mai 1755. Dort findet sich wiederum eine den Vampirfall in Hermsdorf betreffende Meldung aus Wien vom 23. April:

Nachdem durch die aus Oberschlesien eingelangte Nachrichten der Ruf ausgebreitet worden, als sich dort zu Lande zu Herrinsdorf (evtl. Druckfehler) einige so genannte Vampyren oder Blutsauger spüren liessen, und derowegen von den dortigen Einwohnern die würkliche Ausgrabung und Verbrennung einiger bey ihnen in Verdacht gefallenen Körper vorgenommen worden wäre; so haben Ihro Kayserl. Königl. Majestät zu gründlicher Erforschung der Sache eine eigene Commission von erfahrnen und dem Werke gewachsenen Männern dahin abgeordnet, von welchen nach genauester Untersuchung aller Umstände befunden worden, dass dieses Vorgehen bloß von der durch die seit vielen Jahren her eingewurzelten betrüglichen Vourtheile, und einen sträflichen Aberglauben, verderbten Einbildungskraft der dortigen Bauersleuten herrühren, folglich auch alles, was davon ausgestreuet worden, grundfalsch, und diese gräuliche Execution einzig und allein aus eigenem Antriebe der dortigen Einwohner ohne ohne Vorwissen der gehörigen Landesstände vollzogen worden sey. Welches ärgerliche Beginnen Ihro Majestät nicht nur gegen alle diejenige, die hieran Theil genommen, scharf geahndet, sondern auch mittelst eines an alle Dero Länderrepräsentationes erlassenen Circularrescripts, allen so wohl geistlichen als weltlichen Obrigkeiten allergnädigst anbefehlen lassen, dass sie ihre Untergebene von solchen sträflichen und abergläubischen Irrthümern ableiten, auch bey schwerster Ahndung abhalten sollen, auf solche ärgerliche und abergläubische Art künftig zu verfahren.

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