Zur Zeit der Quadragesima,
Als vieles Volk von fern und nah
Zerknirscht in gläubig frommer Brust
Und reuig ob der Sünden Wust,
Zum Richterstuhl der Sühne eilt,
Wo Buße wunde Herzen heilt,
Da stand auf einem fernen Fleck
Ein Jüngling, furchtbar, groß und keck;
Sein Antlitz trug wie eine Spur
Erloschener, edlerer Natur;
Der blickte mit verstörtem Sinn
In sich versenkt zum Beichtstuhl hin,
Und wartet ab bis alles fort,
Und tritt dann selbst zum heil’gen Ort,
Erschließt bekennend seinen Mund
Und gibt zahllose Laster kund:
Raub, Gotteslästerungen, Neid,
Mordtaten, Zwietracht, falschen Eid,
Zorn, Schadenfreude, Heuchelei,
Geiz, Ehrenraub, Giftmischerei,
Verführung, Ehebruch, Trug und Hass,
Und Lügen ohne Zahl und Maß,
Die teils er selbst, so Tag als Nacht,
Und teils durch andere vollbracht
Dem Beichtiger wird angst und heiß;
Auf seiner Stirne steht der Schweiß,
Es sträubet sich sein graues Haar.
«Und lebtest du auch tausend Jahr,»
Spricht zitternd er, «zu kurz noch ist
Zu solchen Gräueln diese Frist!»
«Was, tausend Jahre! Kleinigkeit!»
Spricht der, «weit mehr ist meiner Zeit.»
Da bebt der Pater innerlich
Und waffnet mit dem Kreuze sich;
Und fragt beherzt: «Wer bist du? Sprich!»
Der spricht: «Der Himmel war mein Ziel,
Woraus mit Luzifer ich fiel!»
«Und was,» fragt jener, «willst du hier?
Wozu kommt dein Bekenntnis dir?»
«Ich,» spricht er, «sah und nahm in acht,
Schwarz war wie unsere finstere Nacht,
Wer mit der Schuld der Missetat
Den Stuhl der Sühne hier betrat;
Und jeder kehrt wie schneegebleicht
Von dir zurück nach seiner Beicht,
Gewichen war von ihm der Fluch.
Da dacht ich: Wert ist’s den Versuch;
Vielleicht wird Schönheit, Trost und Heil,
Nach meiner Beicht auch mir zuteil!»
Und wie Sankt Martin einst getan,
Spricht auch zu ihm der Gottesmann;
«Tu Buße, nur für deine Schuld,
Dann wird dir sicher Gottes Huld
Gleich jenen, die du hier gesehen.»
Der spricht: «Das soll gewiss geschehen!
Es sei dein Bußwerk welcher Art:
Mir fällt es nimmermehr zu hart;
Kein Fasten, Leiden, keine Pein
Soll mir zuviel und lästig sein.»
Der Priester spricht: «Ob auch der Last
Der Schulden, die auf dir du hast,
Der Sand am Meer an Anzahl reicht,
So sei doch deine Buße leicht;
Nicht vieles Fasten, keine Pein,
Dies wenige sollst du allein;
Wirf dreimal dich zur Erde hin
Und rufe mit zerknirschtem Sinn:
Mein Schöpfer, ach, verzeihe mir,
Denn schwer gesündigt hab ich dir!
So du dies tust auf meinen Rat,
Gebleicht wird dann die Missetat;
Und sei gewiss, es ist kein Wahn,
Gott nimmt dich schnell zu Gnaden an.»
Darauf gibt der, mit erzürntem Blick,
Dem klugen Beichtiger zurück:
«Dies tu ich wahrlich nimmermehr;
Ich fehlte nicht; wohl aber er;
Denn Gott hat Unrecht mir getan!»
Da spricht der fromme Gottesmann,
Ob solcher Lästerung durchbebt:
«So wahr der Herr dein Schöpfer lebt,
Es bleichet deine Schuld sich nie.
Drum, Geist der Bosheit, schweig und flieh!
Beugst du den stolzen Nacken nicht,
Bleibt ewig fremd dir Gottes Licht,
Der Reuigen nur Huld verheißt.»
Er sprach’s; - verschwunden war der Geist.
(Caesarius lib. 3. cap. 26.)
Diese „ketzerische“ Parabel aus dem Dialogus miraculorum des für seine Gelehrtheit berühmten mittelalterlichen Zisterziensermönchs Caesarius von Heisterbachs (*1180 † um 1240) finde ich sehr interessant, da die Kirchen die Lehrmeinung vertreten, dass die gefallenen Engel für immer von Gott verstoßen sind und ihnen daher in keinem Falle von diesem Gnade zuteil werden kann.
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