Donnerstag, 25. September 2008

Nachtrag zur Suche von Otto von Graben zum Steins verschollenem Buch "Unverlohrnes Licht und Recht..."

Während meiner Suche nach dem verlorenen Manuskript Graben zum Steins, Unverlohrnes Licht und Recht derer Todten unter den Lebendigen...., habe ich mir die Ausgabe der Auserlesenen Theologischen Bibliothec vom Jahre 1732 besorgt, die auch Michael Ranft in seinem 1734 erschienen Traktat von dem Kauen und Schmatzen der Toten erwähnt. Laut Ranft sei in diesem Werk etwas über Graben zum Steins Buch zu finden, doch gibt besagte Notiz lediglich den Originalwortlaut wie in Ranfts Traktat wieder. Michael Ranft wartete also im Jahre 1734 nicht auf ein noch zu erscheinendes Buch, wie es durch seine Formulierung vielleicht den Anschein haben möchte, sondern hat vielmehr Wort für Wort den Text aus der bereits zwei Jahre zuvor erschienen Auserlesenen Theologischen Bibliothec übernommen.

Neue Quellschrift zu Leipziger Vampirdebatte online.


Schreiben eines guten Freundes, 1732

Bei den Quelltexten auf meiner Homepage gibt es einen Neuzugang, und zwar das "Schreiben eines guten Freundes an einen anderen guten Freund, die Vampire betreffend, An. 1732."

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Nicolaus Equiamicus.

Montag, 22. September 2008

Kisolova 1725 - Die Geburtsstunde des Vampirmythos?


Einer der wohl bekanntesten Fälle von Vampirismus, und gleichzeitiger Auslöser der großen Leipziger Vampirdebatte 1725 – 1734, ist der des Peter Plogojovitz aus dem Flecken Kisolova, dem heutigen Kisiljevo in Serbien. In die Welt gebracht wurde die folgenschwere Meldung durch den österreichischen kaiserlichen Verwalter Frombald im Regierungsbezirk Gradiska. In dem genannten Dorfe begab es sich nämlich, dass innerhalb von acht Tagen neun Personen nach kurzer, heftiger, nach Frombalds Bericht, nur 24-stündiger Krankheit verstarben. Die Einwohner des Dorfes hatten als Ursache für die Todesfälle einen vor bereits zehn Wochen vorher gestorbenen Bauern, Peter Plogojovitz, ausgemacht. Die Menschen sagten aus, dass dieser, als ein blutsaugendes Gespenst des Nachts über sie herfiele und ihnen das Leben raube. Eine Gesandtschaft des Dorfes verfügte sich darauf zu der Verwaltungsbehörde nach Gradiska, um Frombald dazu zu bewegen, die Erlaubnis zur Exekution des vermeintlichen Vampirs zu erteilen. Der Verwalter wies die Gesandten darauf hin, dass er erst eine Anfrage diesbezüglich zur obersten Regierungsstelle nach Belgrad senden müsse; sie sollten die Antwort darauf abwarten. Die Gesandtschaft drohte Frombald jedoch damit, dass die Einwohnerschaft das Dorf samt und sonders verlassen würde, wenn man ihrem Begehren nicht stattgeben wollte, mit der Begründung, dass das ganze Dorf bis dahin von dem Vampir ausgerottet sein werde, wie es bereits schon unter türkischer Herrschaft, die im Jahre 1718 endete, bereits geschehen wäre. Da Frombald nicht riskieren konnte, dass die Bewohner des Dorfes ihre Drohung wahr machten, - die Bauern waren aus militärischen Gründen in der unsicheren Grenzgegend zum Türkischen Reich unverzichtbar, - sah er sich genötigt mit ihnen zu kommen und die Angelegenheit selbst in Augenschein zu nehmen.
Die bei seiner Ankunft bereits ausgegrabene (!) Leiche des Peter Plogojovitz zeigte zu seiner Verwunderung nicht die geringsten Anzeichen von Verwesung; auch lies sich kein schlechter Geruch feststellen, ungeachtet, dass sie seit zehn Wochen beerdigt war. Ferner stellte Frombald fest, dass Haare und Bart an der Leiche gewachsen zu sein schienen, auch dass sich eine neue, rosige Haut bildete, nachdem die alte sich vom Körper gelöst hatte; ein Gleiches geschah mit den Fingernägeln. Besonders erstaunt stellte er fest, dass sich in dem Mund Plogojovitz’ frisches Blut befand. Frombald ließ es darauf zu, dass die Einwohner des Dorfes dem vampirischen Toten einen angespitzten Pfahl durch die Brust schlugen, wobei, wie Frombald bemerkte, frisches Blut in großer Menge nicht nur aus der Wunde, sondern auch aus Mund und Ohren floss. Danach wurde der Leichnam zu Asche verbrannt. Der Verwalter verfertigte darauf nach seiner Rückkunft an seinem Amtssitz einen Bericht über die Beschaffenheit des Falles und die Umstände der Exekution der Leiche, datiert auf den 06. April 1724 und sandte jenen, irritiert über das Vorgefallene entweder nach Belgrad, von wo er nach Wien weitergeleitet wurde, oder aber auch direkt nach Wien. Im Wienerischen Diarium vom 21. Juli wurde dieser Bericht dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Nachricht verbreitete sich darauf rasch im Deutschen Reich, und besonders in Leipzig wurde man darauf aufmerksam, so dass der junge Michael Ranft an der dortigen Universität im gleichen Jahre noch eine öffentliche Dissertation zu diese Thema hielt. Erweitert um einen zweiten Teil wurde seine Schrift De masticatione mortuorum in tumulis 1728 zum ersten eigentlichen gedruckten Vampirtraktat. (Seine kurze Dissertation aus dem Jahre 1725 liegt gleichfalls in einem kleinen, nur dreiundzwanzigseitigen Druck aus diesem Jahre vor).

Kurioser Weise ereignete sich zur gleichen Zeit (im Jahre 1725, auch im selben Monat) ein ähnlicher Fall von Vampirismus in dem Dorfe Herinbiesch im Distrikt Lugos – Facset/Temesvar, doch da es weder der Verwalter des Distriktes, Johannes Ràc de Mèhadia, noch der kaiserliche Oberinspektor, Baron von Rebenstich für notwendig erachteten, die Behörden in der fernen Hauptstadt mit solchen Dingen zu beunruhigen, blieb dieses Ereignis fast vergessen in den Archiven zurück. Sonst wäre dieser Fall sehr wahrscheinlich mit dem aus Kisolova in einem Atemzug genannt worden und hätte einen identischen Bekanntheitsgrad erreicht. Um jedoch die Vollständigkeit des Artikels zu gewährleisten folgt nun der bekannte Bericht des Verwalters Frombald, wie er im Wienerischen Diarium wiedergegeben ist:

Nachdeme bereits vor 10. Wochen, ein dem Dorff Kisolova, Rahmer-District, gesessener Unterthan, Namens Peter Plogojovitz, mit tode abgegangen, und nach Raitzischer Manier (1) zur Erden bestattet worden, hat sichs in ermeldetem Dorff Kisolova geäußert, daß innerhalb 8. Tagen, 9. Personen, so wohl alte als junge, nach überstandener 24. stündiger Kranckheit also dahin gestorben, daß, als sie annoch auf dem Todt-Bette lebendig lagen, sie öffentlich ausgesaget, daß obbemeldeter, vor 10. Wochen verstorbener Plogojovitz, zu ihnen im Schlaff gekommen, sich auf sie geleget und gewürget, daß sie nunmehro den Geist aufgeben müsten; Gleichwie dann hierüber die übrigen Unterthanen sehr bestürzet in solchem noch mehr bestärcket worden, da des verstorbenen Peter Plogovitz Weib, nachdem sie zuvor ausgesaget, daß ihr Mann zu ihr gekommen, und seine Oppanki oder Schuhe begehret, von dem Dorff Kisolova weg, und sich in ein anders begeben. Sintemal aber bey dergleichen Personen, (so sie Vampyri nennen,) verschiedene Zeichen, als dessen Cörper unverweset, Haut, Haar, Barth und Nägel an ihm wachsend zu sehen seyn müsten, als haben sich die Unterthanen einhellig resolviret (2), das Grab des Peter Plogojovitz zu eröffnen, und zu sehen, ob sich würcklich obbemeldete Zeichen an ihm befinden; Zu welchem Ende sie sich dann hieher zu mir verfüget, und nebst Andeutung vorerwehnten Casus (3), mich samt dem hiesigen Poppen oder Geistlichen ersuchet, der Besichtigung beyzuwohnen: Und ob ihnen schon erstlich solches Factum reprobiret (4), mit Meldung, daß ein solches vorhero an eine Löbl. Administration (5) unterthänig-gehorsamst berichten, und derselben hohe Verfassung hierüber vernehmen müste, haben sie sich doch keinesweges hierzu bequemen wollen, sondern vielmehr diese kurze Antwort von sich gegeben: Ich möchte thun was ich wollte, allein, wofern ich ihnen nicht verstatten würde, auf vorherige Besichtigung und rechtliche Erkandtnus mit dem Cörper nach ihren Gebrauch zu verfahren, müsten sie Hauß und Gut verlassen, weil biß zu Erhaltung einer gnädigsten Resolution von Belgrad wohl das gantze Dorff (wie schon unter türckischen Zeiten geschehen seyn sollte) durch solchen üblen Geist zugrunde gehen könte, welches sie nicht erwarten wollten. Da man dann solche Leute weder mit guten Worten noch Bedrohungen von ihrer gefaßten Resolution abhalten kunte, derohalben habe ich mich mit Zuziehung des Gradisker Poppen (6), in gemeldtes Dorff Kisolova begeben, den bereits ausgegrabenen Cörper des Peter Plogojovitz besichtiget, und gründlicher Wahrheit gemäß folgendes befunden: Daß erstlich von solchem Cörper und dessen Grabe nicht der mindeste, sonsten der Todten gemeiner Geruch, verspühret, der Cörper, ausser der Nasen, welche abgefallen, gantz frisch, Haar und Barth, ja auch die Nägel, wovon die alten hinweggefallen, an ihm gewachsen, die alte Haut, welche etwas weißlich war, hat sich hinweg gescheelet, und eine neue frische darunter hervor gethan, das Gesichte, Hände und Füsse und der gantze Leib waren so beschaffen, daß sie in seinen Lebzeiten nicht hätten vollkommener seyn können: In seinem Munde habe ich nicht ohne Erstaunen einiges frisches Blut erblicket, welches, der gemeinen Aussage nach, von denen durch ihn Umgebrachten gesogen. In Summa, es waren alle Indicia vorhanden, welche dergleichen Leute (wie schon oben bemercket) an sich haben sollten. Nachdem nun sowohl der Popp, als ich dieses Spectacul gesehen, der Pöbel aber mehr und mehr ergrimmter als bestürtzter wurde, haben sie, gesammte Unterthanen, in schneller Eil einen Pfeil gespitzet, mit solchem den toden Cörper zu durchstechen, an das Hertz gesetzet, da dann bey solcher Durchstechung nicht nur allein häuffiges Blut, so gantz frisch, auch durch Ohren und Mund geflossen, sondern auch andere wilde Zeichen (welche wegen hohen Respect umgehe) (7) vorgegangen. Sie haben endlich offtermelten Cörper, in hoc casu (8), gewöhnlichen Gebrauch nach, zu Aschen verbrannt. Welches dann E. Hochlöbl. Administration hinterbringen, und anbey gehorsamst unterthänigst bitten wollen, daß, wann hierinnen einen Fehler begangen haben sollte, solchen nicht mir, sondern dem vor Furcht außer sich selbst gesetzten Pöbel beyzumessen.
Actum (9). 6. April. 1725.
Kayserlicher Provisor (10) im Gradisker District.


Fußnoten
1. Nach Raitzischer Manier bedeutet, dem Gebrauch der Rätzen entsprechend. Die Rätzen waren ein kleines slawisches Volk, das als Bauernsoldaten in den türkisch-österreichischen Grenzregionen angesiedelt war und über einen eigenes geistliches Oberhaupt verfügte, dass ihre kirchlichen Belange und Gebräuche befehligte.
2. entschlossen
3. Fall
4. Die Tatsache, der Umstand erklärt wurde
5. d. i. eine übergeordnete Verwaltungs – bzw. Regierungsbehörde
6. Ein Pope. Bezeichnung der Geistlichen der orthodoxen Ostkirche
7. Michael Ranft deutet in seinem Traktat von dem Kauen und Schmatzen der Toten in Gräbern darauf hin, dass Frombald hier den erigierten Penis der vampirischen Leiche meint.
8. in diesem Fall
9. so geschehen, gegeben (als gerichtlich offizielle Datumsangabe)
10. Verwalter


Wem der unbearbeitete Originaltext zu schwierig ist, der kann auf meiner Homepage unter Quelltexte die leserfreundliche Version einsehen.

An dieser Stelle möchte ich auch noch auf den hervorragenden Blog Magia Posthuma von Niels K. Petersen hinweisen, auf dem gerade vor einigen Tagen ein interessanter Artikel über den Vampirfall von Kucklina erschienen ist (darin enthalten ist der Brief des Fähnrich von Kottwitz an Dr. Ettmüller in Leipzig im unbearbeiteten Original). Kucklina ist ein Ort in direkter Nachbarschaft zu Medvegija (bzw. Medwedja), wo ebenfalls, im Jahre 1732, ein Aufsehen erregender Vampirfall bekannt wurde. Doch dazu später mehr.

Vampirtraktate online lesen W. S. G. E.


Auf meiner HP Dunkle Kulturgeschichte werde ich in Zukunft einige Vampirtraktate online stellen, in bewährter lesefreundlicher Form bearbeitet natürlich. Den Anfang macht WSGE's Curieuse und sehr wunderbare Relation, von welcher Schrift ich bereits die ersten Seiten hochgeladen habe.

Sonntag, 21. September 2008

Die Vampirplage in Hermsdorf / Oberschlesien im Jahre 1755

Ein gut dokumentierter historischer Fall von Vampirismus ist mir vor kurzem zu Händen gekommen. Stattgefunden hat er im Jahre 1755 in dem kleinen Flecken Hermsdorf (auch Hermersdorf) in Oberschlesien. Den Anfang der Plage verursachte eine gewisse Rosa oder Rosina Polakin, die in jener Gegend als eine Hexe mit Wunderkuren ihren Lebensunterhalt verdiente und zweieinhalb Jahre zuvor verstarb. In der Folgezeit soll sie viele andere Dorfbewohner als Vampir getötet haben, die darauf gleichfalls wieder zu Vampiren wurden. Die Angelegenheit wurde dann Anfang Februar 1755 untersucht und mit den vampirischen Leichen schließlich in bekannter Manier verfahren. Doch ist der Ausgang der Affäre besonders interessant, da dies bisher der einzige mir bekannte Fall aus dem 18. Jahrhundert ist, der für die Ausführenden der Vampirexekution ein Nachspiel hatte: Von staatlicher Seite wurde gegen diese Personen aufgrund des sogenannten „Vampirerlasses“ der Kaiserin Maria Theresia vom 01. März 1755 strafrechtlich vorgegangen. Dieser Erlass der Kaiserin erfolgte auf den Bericht der kaiserlichen Ärztekommission, die den Fall im Auftrag Maria Theresias untersuchten. Der kaiserliche Leibmedicus Gerhard van Swieten, verfertigte darüber ein Gutachten und drängte die Kaiserin dahin, Vampirexekutionen, genauer gesagt unerlaubte Öffnung von Gräbern, und die daraus folgenden Leichenschändungen unter Strafe zu stellen, um so dem „Aberglauben“ des Volkes abzuhelfen. Der Erlass der Kaiserin beinhaltete nun dies, mit dem Zusatz, dass solche Fälle von vermeintlichen blutsaugenden Toten angezeigt werden müssen und dann gegebenenfalls die dafür zuständigen staatlichen Stellen die Angelegenheit untersuchen sollten.
Die Berlinische Priviligirte Zeitung vom Donnerstag, den 02. April 1755 schreibt folgendes:

Aus Oberschlesien, vom 16. Merz.
Die berüchtigten Blutsauger, oder sogenannte Vampyrs, haben lange nichts von sich hören lassen; nunmehro aber kann man aus hiesiger Gegend folgende zuverlässige Nachricht davon erteilen. Schon vor 2 und einem halben Jahr, verstarb zu Hermsdorf oberhalb Troppau eine Weibsperson, welche man in ihrem Leben die Tyroler Doctorin genennet. Diese Weibsperson curirte auf dem Lande herum, und konnte dabey allerhand vermeintliche Zauberkünste bewerkstelligen. Man sagt, sie habe vor ihrem Absterben, ihren Mann aufgetragen, nach ihrem Tode ihren Kopf abzuhauen, und sie nicht auf den Katholischen Kirchhof begraben zu lassen. Immittelst hat sich bald nach ihrem Absterben allerhand geäussert, davon man überzeuget worden, sie sey eine Vampyre gewesen; wie denn nach und nach in dem Dorfe Hermsdorf viele Personen gestorben, von denen man glaubete, dass sie von Blutsaugern zu Tode gequälet worden. Da dieses Uebel weiter gieng, und mehrere Personen sturben, auch dabey verharreten, dass die Vampyrs ihren Todt verursacheten, so wurde allerhochst verordnet, eine Untersuchung gerichtlich anzustellen, die dahin ausfiel, dass man die als Blutsauger in Verdacht gerathene Personen, diesem allerhöchsten Obrigkeitlichen Befehl zufolge ausgraben sollte, und wurden an der Zahl 30 ausgegraben; 10 davon wurden unschuldig befunden, und wieder verscharret; bey 19 erwachsenen Personen aber, und einem Kinde, wurde noch Blut befunden, ohngeachtet die Leichname 1 Jahr, auch etliche 2 Jahr und drüber bereits in der Erde gelegen hatten; diesen wurden als Vampyrs erstlich die Köpfe abgehauen, das Herz durchstossen, und sodann die Cörper zu Aschen verbranndt. Diese Execution ist auf Kayserl. Befehl vor 6 Wochen in dem Dorfe Hermsdorf geschehen, wozu Knechte und Scharfrichter von Troppau, Jägerndorf, Teschen und umliegenden Orten zugezogen worden.

Die Folgen des Erlasses Maria Theresias zeigt die Ausgabe der Berlinischen Priviligirten Zeitung vom 08. Mai 1755. Dort findet sich wiederum eine den Vampirfall in Hermsdorf betreffende Meldung aus Wien vom 23. April:

Nachdem durch die aus Oberschlesien eingelangte Nachrichten der Ruf ausgebreitet worden, als sich dort zu Lande zu Herrinsdorf (evtl. Druckfehler) einige so genannte Vampyren oder Blutsauger spüren liessen, und derowegen von den dortigen Einwohnern die würkliche Ausgrabung und Verbrennung einiger bey ihnen in Verdacht gefallenen Körper vorgenommen worden wäre; so haben Ihro Kayserl. Königl. Majestät zu gründlicher Erforschung der Sache eine eigene Commission von erfahrnen und dem Werke gewachsenen Männern dahin abgeordnet, von welchen nach genauester Untersuchung aller Umstände befunden worden, dass dieses Vorgehen bloß von der durch die seit vielen Jahren her eingewurzelten betrüglichen Vourtheile, und einen sträflichen Aberglauben, verderbten Einbildungskraft der dortigen Bauersleuten herrühren, folglich auch alles, was davon ausgestreuet worden, grundfalsch, und diese gräuliche Execution einzig und allein aus eigenem Antriebe der dortigen Einwohner ohne ohne Vorwissen der gehörigen Landesstände vollzogen worden sey. Welches ärgerliche Beginnen Ihro Majestät nicht nur gegen alle diejenige, die hieran Theil genommen, scharf geahndet, sondern auch mittelst eines an alle Dero Länderrepräsentationes erlassenen Circularrescripts, allen so wohl geistlichen als weltlichen Obrigkeiten allergnädigst anbefehlen lassen, dass sie ihre Untergebene von solchen sträflichen und abergläubischen Irrthümern ableiten, auch bey schwerster Ahndung abhalten sollen, auf solche ärgerliche und abergläubische Art künftig zu verfahren.

Eines gefallenen Engels unheilbare Wunde

Zur Zeit der Quadragesima,
Als vieles Volk von fern und nah
Zerknirscht in gläubig frommer Brust
Und reuig ob der Sünden Wust,
Zum Richterstuhl der Sühne eilt,
Wo Buße wunde Herzen heilt,
Da stand auf einem fernen Fleck
Ein Jüngling, furchtbar, groß und keck;
Sein Antlitz trug wie eine Spur
Erloschener, edlerer Natur;
Der blickte mit verstörtem Sinn
In sich versenkt zum Beichtstuhl hin,
Und wartet ab bis alles fort,
Und tritt dann selbst zum heil’gen Ort,
Erschließt bekennend seinen Mund
Und gibt zahllose Laster kund:
Raub, Gotteslästerungen, Neid,
Mordtaten, Zwietracht, falschen Eid,
Zorn, Schadenfreude, Heuchelei,
Geiz, Ehrenraub, Giftmischerei,
Verführung, Ehebruch, Trug und Hass,
Und Lügen ohne Zahl und Maß,
Die teils er selbst, so Tag als Nacht,
Und teils durch andere vollbracht
Dem Beichtiger wird angst und heiß;
Auf seiner Stirne steht der Schweiß,
Es sträubet sich sein graues Haar.
«Und lebtest du auch tausend Jahr,»
Spricht zitternd er, «zu kurz noch ist
Zu solchen Gräueln diese Frist!»
«Was, tausend Jahre! Kleinigkeit!»
Spricht der, «weit mehr ist meiner Zeit.»
Da bebt der Pater innerlich
Und waffnet mit dem Kreuze sich;
Und fragt beherzt: «Wer bist du? Sprich!»
Der spricht: «Der Himmel war mein Ziel,
Woraus mit Luzifer ich fiel!»
«Und was,» fragt jener, «willst du hier?
Wozu kommt dein Bekenntnis dir?»
«Ich,» spricht er, «sah und nahm in acht,
Schwarz war wie unsere finstere Nacht,
Wer mit der Schuld der Missetat
Den Stuhl der Sühne hier betrat;
Und jeder kehrt wie schneegebleicht
Von dir zurück nach seiner Beicht,
Gewichen war von ihm der Fluch.
Da dacht ich: Wert ist’s den Versuch;
Vielleicht wird Schönheit, Trost und Heil,
Nach meiner Beicht auch mir zuteil!»
Und wie Sankt Martin einst getan,
Spricht auch zu ihm der Gottesmann;
«Tu Buße, nur für deine Schuld,
Dann wird dir sicher Gottes Huld
Gleich jenen, die du hier gesehen.»
Der spricht: «Das soll gewiss geschehen!
Es sei dein Bußwerk welcher Art:
Mir fällt es nimmermehr zu hart;
Kein Fasten, Leiden, keine Pein
Soll mir zuviel und lästig sein.»
Der Priester spricht: «Ob auch der Last
Der Schulden, die auf dir du hast,
Der Sand am Meer an Anzahl reicht,
So sei doch deine Buße leicht;
Nicht vieles Fasten, keine Pein,
Dies wenige sollst du allein;
Wirf dreimal dich zur Erde hin
Und rufe mit zerknirschtem Sinn:
Mein Schöpfer, ach, verzeihe mir,
Denn schwer gesündigt hab ich dir!
So du dies tust auf meinen Rat,
Gebleicht wird dann die Missetat;
Und sei gewiss, es ist kein Wahn,
Gott nimmt dich schnell zu Gnaden an.»

Darauf gibt der, mit erzürntem Blick,
Dem klugen Beichtiger zurück:
«Dies tu ich wahrlich nimmermehr;
Ich fehlte nicht; wohl aber er;
Denn Gott hat Unrecht mir getan!»
Da spricht der fromme Gottesmann,
Ob solcher Lästerung durchbebt:
«So wahr der Herr dein Schöpfer lebt,
Es bleichet deine Schuld sich nie.
Drum, Geist der Bosheit, schweig und flieh!
Beugst du den stolzen Nacken nicht,
Bleibt ewig fremd dir Gottes Licht,
Der Reuigen nur Huld verheißt.»
Er sprach’s; - verschwunden war der Geist.
(Caesarius lib. 3. cap. 26.)

Diese „ketzerische“ Parabel aus dem Dialogus miraculorum des für seine Gelehrtheit berühmten mittelalterlichen Zisterziensermönchs Caesarius von Heisterbachs (*1180 † um 1240) finde ich sehr interessant, da die Kirchen die Lehrmeinung vertreten, dass die gefallenen Engel für immer von Gott verstoßen sind und ihnen daher in keinem Falle von diesem Gnade zuteil werden kann.

Mittwoch, 17. September 2008

Bericht über einen Nachzehrer in Martin Luthers Tischreden

Als ein naher Verwandter des blutsaugenden Vampirs in den slawischen Ländern Europas ist der mehr im deutschsprachigen Raum vertretene sogenannte Nachzehrer anzutreffen. Über diese unruhigen Leichname finden sich besonders in den vergangen Pestzeiten viele Beispiele. Besonders interessant ist hierbei, dass sogar der große Reformator Dr. Martin Luther von dem Pfarrer Georg Rörer gebeten wurde, seine Ansichten zu diesem Phänomen zu offenbaren. Niedergelegt findet sich die Antwort Luthers in J. Aurifaber’s Tischreden oder Colloquia / D. M. Luther, Eisleben 1566 fol. 298:

Wunderbarliche Historie vom Teufel / der die Leut betrug und wuergte.

Randglosse: Des Teufels betrug mit dem umb sich fressen in Grebern

Es schreib ein Pfarherr M. Georgen Rörer gen Wittenberg / Wie ein Weib auff einen Dorff gestorben were / und nu weil sie begraben / fresse sie sich selbs im Grabe / darum weren schier alle Menschen im selben Dorff gestorben / Und bat / er wollte D. Mart. Fragen / was er dazu riete / Der sprach / das ist des Teufels betriegerey und bosheit / wenn sie es nicht gleubeten / so schadete es jnen nicht / und hielten es gewiss für nichts anders / denn für des Teufels Gespenst. Aber weil sie so abergleubisch weren / so stürben sie nur jmerdar je mehr dahin. Und wenn man solchs wüste / solt man die Leute nicht so freventlich ins Grab werffen / sondern sagen / Da friss Teufel / da hastu gesaltzens / du betreugest uns nicht.

Randglosse: wonach der Teufel furnemlich fischet

Und sprach D. M. Luther weiter / Der Teufel will kurtzumb gefurcht / geehret und angebetet sein / Es ist ein sehr hefftiger stoltzer Geist / kann nicht leiden / das man ihn will verachten. Also befahl ich auch / sprach D. Martinus / man solt dem Pfarherrn wider schreiben / das sie es gewis sollten dafuer halten und gleuben / Es were kein Gespenst oder Seele / sondern were der Teufel selbs. Darumb sollten sie in die Kirche zusammen gehen / und Gott bitten / er wolt jnen jre Suende vergeben umb Christus willen / und dem Teufel wehren.

Martin Luther gibt in seiner Antwort an Georg Rörer zu verstehen, dass nicht der Leichnam die Schuld am Dahinsterben der Menschen trage, sondern dass das Fressen und Schmatzen im Grabe ein Blendwerk des Teufels sei und dieser allein die Schuld daran trage. Die Menschen glaubten an die Betrügerei des Teufels und verfielen in eine Angst, dass sie davor stürben. - Würden sie nicht daran glauben, so würde ihnen auch nichts geschehen. Der Reformator verneint also in seiner Antwort rigoros die Existenz eines Nachzehrers und greift damit der Naturwissenschaft des 18. Jahrhunderts schon vor, nur dass diese späterhin zudem jegliche teuflische Beteiligung abstritten.

Ulrich Molitor’s De laniis et phitonicis mulieribus

Oder Von Hexen und Unholden

De laniis (richtiger: De lamiis) et phitonicis mulieribus ist nach Johannes Niders Formicarius und Kramers Hexenhammer eine der ersten gedruckten Schriften, die sich mit dem Hexenwesen beschäftigt und wurde im Jahre 1489 von dem Konstanzer Juristen Ulrich Molitor (* 1442 † 1507 oder 1508) verfasst.
Nach Bekanntgabe der sogenannten „Hexenbulle“ Summis desiderantes affectibus im Jahre 1484, welche auf Betreiben des Inquisitors Heinrich Kramer (lat. Institoris) von Papst Innozenz VIII. aufgesetzt wurde, erschien erstmalig 1486/87 ein gedrucktes Buch, das sich ausschließlich der Frage des Hexenwesens und den Verfahren gegen Hexen befasste, der Malleus maleficarum. Als Autoren gelten gemeinhin Heinrich Kramer und dessen Vorgesetzter Jakob Sprenger, wobei man in neuerer Zeit die alleinige Autorschaft Kramers annimmt.
Das Erscheinen der Schrift Ulrich Molitors De laniis et phitonicis mulieribus im Jahre 1489 lässt sich als eine direkte Antwort des Juristen Molitors auf den Malleus maleficarum deuten, da seine Schrift diesem in einigen wichtigen Punkten widerspricht.
Denn als in den Jahren von 1481 bis 1485 Heinrich Kramer in der Diözese Konstanz eine Hexeninquisition durchführte, traf er am dortigen Diözesangericht mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem dort beschäftigten Juristen Ulrich Molitor zusammen. Durch die umstrittenen Methoden Kramers während der Hexereiprozesse und durch das Erscheinen des Malleus maleficarum sah sich Molitor persönlich genötigt sein Buch zu verfassen, in welchem er eine durchaus gegnerische Position gegenüber Kramer und dessen Werk bezieht.
Im Gegensatz zu Heinrich Kramer verbannt Molitor in seiner Schrift den Hexensabbat in die Einbildung der Hexen, er leugnet die Existenz der Magie insoweit, dass er sagt, dass die Hexen aus sich selbst heraus nichts vermögen, und dass alles, was diesen zugeschrieben wird, natürlich erklärbar ist oder vom Teufel vollbracht wird. Ferner lehnt er unter der Folter erpresste Geständnisse als nicht der Wahrheitsfindung dienlich ab, da der Angeklagte durch die übergroßen Schmerzen während der Tortur allerlei Sachen gestehen kann, welche er in Wahrheit gar nicht verübt hat. Nichtsdestotrotz plädiert Molitor im Beschluss seines Buches für die Todesstrafe gegenüber Hexen, da diese, auch wenn sie durch ihre „eingebildete“ Zauberei keinen wirklichen Schaden anrichten können, so doch vom christlichen Glauben abfallen und dass sie durch den Dienst, den sie dem Teufel erweisen, Götzendienst begehen und ferner wegen ihres schlechten Beispiels auf ihre Mitmenschen dem Tode zu verantworten seien.
Molitors „De laniis“ erfreute sich während der gut anderthalb Jahrhunderte ihres Erscheinens größter Beliebtheit. Durch ihre in Dialogform zwischen ihm, Ulrich Molitor, seinem Souverän, Herzog Siegmund von Tirol, dem das Buch gewidmet ist, und dem Freunde Molitors, dem Konstanzer Bürgermeister Konrad Schatz, aufgesetzte Schrift, und durch Molitors schreiberisches Talent, die maßgeblichsten Punkte, die das Hexenwesen betreffen, kurz und prägnant wiederzugeben, war die De laniis..., neben dem Malleus maleficarum in der Zeit zwischen ihrer beider Erscheinen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts die in Hexereifragen am meisten konsultierte Schrift, so dass sie gleichberechtigt mit dem Buch Kramers behandelt, in etlichen Auflagen immer wieder nachgedruckt wurde. Zudem verfertigte Ulrich Molitor noch im Jahre des Erscheinens der lateinischen Erstausgabe 1489, eine deutsche Übersetzung unter dem Titel Von den Unholden oder Hexen, was ihre Beliebtheit zusätzlich hob, da sich nun auch außerhalb der Universitäten die Masse des Volkes, die des Lateinischen nicht mächtig war, über das Hexenwesen belehren konnte.
Molitor verfasste noch weitere juristische Schriften zu verschiedenen Themen, die jedoch nicht den Bekanntheitsgrad seines Hexentraktates erlangten.
Die in Form eines Gespräches gehaltene Schrift Molitors enthält folgende 9 Punkte, die in 12 Dialogen abgehandelt werden:
- Ob Hexen Hagel und Unwetter erzeugen können?
- Ob Hexen die Macht haben, Kindern und Erwachsenen Schaden zuzufügen und Krankheiten zuzuschicken?
- Ob die Hexen in der Lage seien Männer und Frauen zum Beischlaf unfähig zu machen?
- Ob die Hexen in der Lage seien sich oder anderen Menschen eine andere Gestalt zu geben?
- Ob die Hexen durch die Luft zum Sabbat reisen können?
- Ob der Teufel mit den Hexen den Beischlaf vollziehen kann?
- Ob aus einem solchen Beischlaf Kinder gezeugt werden können?
- Ob die Hexen wahrsagen können?
- Ob man Hexen von Rechts wegen zum Tode verteilen dürfe?

Während der vielen Jahre ihres Erscheinens wurde die Schrift Ulrich Molitors oft mit im Detail verschiedenen Titel wiederholt aufgelegt:

Lateinische Ausgaben erschienen in den Jahren 1489, 1494 und 1495 unter dem Titel De laniis et phitonicis mulieribus
In den Jahren zwischen 1580 und 1600 finden sich Titel wie De lamiis et phitonicis mulieribus, Dialogus de lamiis…, Tractatus de lamiis…

Auf Deutsch erschien Molitors Hexenschrift in den Jahren 1489 – 1508 unter dem Titel Von den Unholden oder Hexen, 1544 unter Hexen Meysterey, und 1575 und später: Von Hexen und Unholden
Die Druckorte der verschiedenen Ausgaben sind unterschiedliche. Bekannt sind Straßburg, Reutlingen und Köln.

Im 17. Jahrhundert und vereinzelt bereits im 16. erschien De laniis... auch als Anhang zum Malleus maleficarum.

Die ersten lateinischen sowie die ersten deutschen Ausgaben von Molitors Buch enthalten sieben Holzschnitte, die Hexen (außer der Eingangsholzschnitt, der Herzog Sigismund, Molitor und Konrad Schatz im Gespräch zeigt) bei verschiedenen Verrichtungen darstellen, wie dem Fahren durch die Luft zum Sabbat, dem Festmahl beim Sabbat, dem Reiten auf einem Wolf, dem „Hexenschuss“, Unwetterbrauen sowie der Unzucht mit einem Buhlteufel.
Die Ausstattung einer Hexenschrift mit Holzschnitten ist überaus selten, so dass diesen sehr frühen Darstellungen eine besonders wertvolle Bedeutung zukommt. Zudem sind die Holzschnitte aus dem Werk Molitors auch heute noch beliebte Schmuckbilder in neuzeitlichen Büchern über die Hexenprozesse, so dass man kaum eines findet, in welchem nicht mindestens einer von ihnen wiedergegeben ist.

Montag, 8. September 2008

In wenigen Tagen erscheint das neue Shekinah-Magazin



Bald ist es wieder soweit: Am 20. September erscheint die neueste Ausgabe der Shekinah-Schriftenreihe!

Darin wird enthalten sein (Verlagsinfo):

· Vorwort
· Ja, woran glauben Sie denn? Eine Religionskritik (Teil 2) von Frater Eremor & Frater Pandagaz247
· Saljar Heljar - Eine Reise ins Reich der Hel von Christiane Kliemannel
· Das Licht, das nicht ist von Kenneth Grant
· Die zauberische Gestaltveränderung am Beispiel des Werwolfs von Equiamicus
· Das Tor des Silbernen Schlüssels von der Loge Magan (Dragon Rouge Polen)
· In Nomine Luciferi von Frater Lashtal-NHSH 3.8.4.
· Wissenschaftliche Magie? von Frater Fäustchen
· Der Magus von Voenix
· Seidr - Altnordische Magie von Holger Kliemannel
· "Everything begins with Yearning" - Ein Interview mit Werkraum von Thomas Lückewerth
· Ein schwangeres Nichts - Schöpfungsenergie aus dem Chaos kreieren von Frater Pandagaz247
· Das geheimnisvolle Jahresorakel 2009 - Ein kreatives Magieprojekt für Wagemutige von Grauwolf
· Vipassana - mal anders von Romero E. Sotes
· Rezensionen
· Verlosung
· Impressum & Mehr
Schlussgedanken - Kraftplatztourismus von C. Stettler

Shekinah 4
100 Seiten, zahlreiche Abb., DIN A5, Broschur
ISBN 978-3-939459-16-3
€ 10,00
Erscheinungstermin: 20. September 2008

Donnerstag, 4. September 2008

Der vergessene Fall des Vampirs von Herinbiesch, Distrikt von Lugos – Facset/Temesvar aus dem Kisolova - Jahr 1725

Das Jahr 1725 hat in der Erforschung des historischen Vampirismus eine ganz besondere Bedeutung. Es war das Jahr des so berühmten Kisolova - Falles um den Vampir Peter Plogojovitz, der von dem k.u.k. Verwalter des Gradisker Distrikts Frombald dokumentarisch mit Datum vom 5. April 1725 festgehalten wurde. Wie bekannt sein dürfte, war dies der Auslöser der Leipziger Vampirdebatte, die die Gelehrtenwelt in Deutschland mehrere Jahre in Atem halten sollte.

Umso interessanter befindet es sich, dass sich zeitgleich mit dem Fall des Peter Plogojovitz ein ganz ähnliches Ereignis im Lugos – Facseter Distrikt abspielte:

Am 31. März 1725 beauftragte der kaiserliche Oberinspektor Baron von Rebenstich den Verwalter des eben genannten Distriktes Johannes Ràcz de Mehàdia, nachdem dieser ihm Bericht über einen evtl. vorhandenen Vampir in der Ortschaft Herinbiesch gegeben hatte, den verdächtigen Leichnam, bei dem es sich um eine zu Lebzeiten im Verdacht der Zauberei befindliche Person handelte, aus dem Grabe zu erheben und zu begutachten, sowie ihm darauf weitere Nachricht zukommen zu lassen.

Der Verwalter Johannes Ràcz verfasste darauf unter Datum vom 3. April 1725 folgenden Bericht:

„Aus Einer löbl. Kays. Administration Gnädigen Befehlich habe wegen der zu Herinbiesch in Verdacht gehabten Zauberer den Gegenschreiber dahien geschickt, dass Grab eröffnen zu lassen. Welcher auch Befunden, dass derselbte Verstorbene Also friescher undt unversehrter, ja die rechte handt Beym Mundt Gehabter, mit dem Kopf Gegen die rechte seithen Verwendeter Gelegen undt unter dem Kopf bluth gesehen worden. Also dass kein andere Muthmassung, weilen der Körper doch schon über drey Monath in der Erden lieget, undt keine Versehrung an Ihme Gefunden kann werden, dass dieser der Bluthsaugerer sein muß. Wessentwegen Von Einer Löbl. Kayserl. Administration gewärtig Bien dehro Gnädigen Befehlich, waß fernerhien mit diesem Körper zu thuen sey, weilen solcher in eröffnetem Grabe mit dabey haltender Wacht lieget.“

Der österreichische Oberinspektor Baron von Rebenstich ließ darauf dem Verwalter Johannes Ràcz datiert auf den 10. April 1725 folgenden Bescheid übersenden:

„Nachdem sich in genauer untersuchung gezaiget, dass der in Verdacht gewesene Zauberer auf die beschriebene arth und weise auß billichen verdacht alß ein bluthsaugerer zu achten, So kann derselbe (der Verwalter Johannes Ràcz) auch mit dem körper ohne weiters dasjenige volführen lassen, was man sonsten in derley begebenheiten dieser Zeithero zu beobachten gewohnet und practicirt hat.“

D. h. der Leichnam wurde vermutlich durch die Brust gepfählt und/oder zusätzlich geköpft. Nach dieser Prozedur wurde der Leichnam entweder mit seinem Kopf zwischen den Beinen wiederum beerdigt; wahrscheinlicher jedoch verbrannt und seine Asche zerstreut. Durch die gute Quellenlage ist dieser Fall ebenso gut dokumentiert wie derjenige des Peter Plogojovitz zum gleichen Zeitpunkt. Weshalb der Kisolova – Fall einen wesentlich größeren Bekanntheitsgrad erlangte, mag wohl daran liegen, dass dieser im Wienerischen Diarium vom 21. Juli in der breiten Öffentlichkeit publik gemacht wurde. Der Fall des namenlosen Zauberers aus Herinbiesch fiel so, wie etliche andere aus den Folgejahren, unverdienterweise der Vergessenheit anheim.
Interessant in diesem Fall ist besonders der Umstand, dass die Person zu Lebzeiten den Ruf hatte, ein Zauberer zu sein; also schon dadurch im dortigen Volksglauben prädestiniert war, nach seinem Tode ein Vampir zu werden.
Als zweiter Aspekt kommt hinzu, dass der Tote, wie im Bericht vom 3. April vermerkt wird, „die rechte Handt beim Mundt Gehabter,...“, was darauf hinweist, dass die er zudem ein Nachzehrer war, also ein Leichnam, der sich im Grabe selbst bzw. sein Leichentuch oder -hemd verzehrt. Der gemeine Glaube lief darauf hinaus, dass, solange der Tote seine Körperteile oder Laken benagte, er lebende Menschen ins Grab nachzieht, d. h. auf sympathetische Weise tötet.
Ich bin z. Zt. dabei noch weitere Dokumente zu diesem Fall ausfindig zu machen und werde, sofern mir dies gelingt, noch mehr dazu schreiben.

Dienstag, 2. September 2008

Die Leipziger Vampirdebatte 1725 - 1734

Im Zusammenhang mit den frühesten Abhandlungen zum Vampirismus stößt man früher oder später auf den Begriff der Leipziger Vampirdebatte. Als solche bezeichnet man die gelehrte Auseinandersetzung der Wissenschaft im theologischen, naturkundlichen und medizinischen Bereich auf die durch angeordnete Untersuchung der österreichischen Behörden im besetzten nördlichen Serbien bekannt gewordenen Fälle von Vampirismus in Kisolova 1725 und Medwegia 1731/32. Beide Fälle gehören bis heute zu den am besten dokumentierten ihrer Art. Den offiziellen Bericht zum Kisolova Fall über den vermeintlichen Vampir Peter Plogojovitz verfasste der kaiserliche Verwalter Frombald, der seinen Sitz in Gradiska inne hatte, am 06. April. Den Medwegia Fall im Winter 1731/32 schildert abschließend Johann Flückinger, dem in dieser Angelegenheit untersuchenden und leitenden Arzt des Fürstenbuschischen Regiments, in einem von ihm selbst erstellten Abschlußbericht, datiert auf den 07. Januar 1732.
Diese Berichte lösten in Deutschland und vor allem in den Leipziger Gelehrtenstuben eine über mehrere Jahre andauernde Diskussion über die Möglichkeit oder Verwerfung des sogenannten Vampirismus aus. Michael Ranft, der spätere nebraische Diakon, hielt als erster am 27. September 1725 einen öffentlichen Vortrag zu diesem Phänomen an der Leipziger Universität. Im Jahre 1728 folgte dazu die erste gedruckte Schrift, nämlich Ranft’s De masticatione mortuorum in tumulis liber singularis, continens duas dissertationes, quarum prior historico – critica, posterior vero philosophica est. Lipsiae 1728. Sie blieb für einige Zeit, bis zum Jahre 1732 die einzige gedruckte Schrift, die sich mit den blutsaugenden Toten beschäftigte. Dies änderte sich jedoch rapide nach dem Bekannt werden der Ereignisse von Medwegia. Die Gelehrten meldeten sich nun zu Wort, und eine Fülle von größeren und kleineren Druckerzeugnissen zu diesem Thema, sowohl in deutscher als auch lateinischer Sprache, bevölkerten die Buchläden Leipzigs. Selbst der König von Preußen, Friedrich Wilhelm I. holte sich ein Gutachten der kgl. Akademie der Wissenschaften über die Vampire ein. Den Abschluss der Debatte schuf schließlich wiederum Michael Ranft mit einer erweiterten 1734 erschienen Neuauflage seiner Schrift über die Vampire, diesmal jedoch in deutscher Sprache: Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern. Worin die wahre Beschaffenheit derer Hungarischen Vampyrs und Blut = Sauger gezeigt, auch alle von dieser Materie bißher zum Vorschein gekommene Schrifften recensiret werden. Leipzig 1734.
Erst einige Jahre später, in den 1740er Jahren, griff der Benediktinermönch Augustinus Calmet aus Lothringen, einer der bedeutendsten katholischen Theologen, das Thema noch einmal auf und verfertigte im Jahre 1746 eine Summa des Vampirglaubens, vorerst in französischer Sprache. Eine stark erweiterte Neuauflage erschien 1751 auf Deutsch unter dem Titel: Gelehrte Verhandlung der Materi, von Erscheinungen der Geisteren, und denen Vampiren in Ungarn, Mahren etc.
Eine Annäherung der Positionen geschah während der Leipziger Debatte nicht. Der Vampirismus wurde von einigen gänzlich verneint, von manchen bejaht, von anderen wiederum als unerklärliches Phänomen behandelt. Die wichtigsten Schriften, die, ausgelöst durch den Gelehrtenstreit in Druck erschienen, sind:

- Michael Ranft: De masticatione mortuorum in tumulis liber singularis, continens duas dissertationes, quarum prior historico – critica, posterior vero philosophica est. Lipsiae 1728.
- Michael Ranft: Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern. Worin die wahre Beschaffenheit derer Hungarischen Vampyrs und Blut = Sauger gezeigt, auch alle von dieser Materie bißher zum Vorschein gekommene Schrifften recensiret werden. Leipzig 1734.
- Johann Christoph Pohl: DISSERTATIONEM DE HOMINIBVS POST MORTEM SANGVISVGIS, VVLGO SIC DICTIS Vampyren. Lipsiae 1732.
Schreiben eines guten Freundes an einen andern guten Freund / Die Vampyren betreffend. de dato 26. Martii 1732.
- Johann Heinrich Zopf: DISSERTATIO DE VAMPYRIS SERVIENSIBUS QVAM SVPREMI NVMINIS AVSPICIO. DVISBVRGI AD RHENUM 1733.
- Dr. Johann Daniel Geyer: Müßiger Reise Stunden Gedancken Von denen Todten Menschen = Saugern. Dressden 1735.
- Geistliche Fama, mitbringend Einige Neuere Nachrichten von göttlichen Gerichten / Wegen / Führungen und Erweckungen. Sarden 1732.

- Anonymus : Visum et Repertum. Uber die so genannten Vampirs, oder Blut = Aussauger, So zu Medvegia in Servien, an der Türckischen Granitz, den 7. Januarii 1732 geschehen. Nebst einem Anhang Von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern. Nürnberg 1732.
- Putoneus: Besondere Nachricht von denen Vampyren oder so genannten Blut = Saugern, wobey zugleich die Frage, ob es möglich, dass verstorbene Menschen wiederkommen, denen Lebendigen durch Aussaugung des Bluts den Tod zuwege bringen und dadurch gantze Dörffer an Menschen und Vieh ruinieren können? Leipzig 1732.
- Anonymus: Actenmäßige und umständliche Relation von denen Vampiren oder Menschen – Saugern, welche sich in diesem und vorigen Jahren im Königreich Servien hervorgethan. Nebst einem Raisonnement darüber und einem Hand = Schreiben eines Officiers des Prinz Alexandrischen Regiments aus Medvedia in Servien an einen berühmten Doctoren der Universität Leipzig. Leipzig. A. 1732.

- Christoph Friedrich Demelius: Philosophischer Versuch, ob nicht die merckwürdige Begebenheit derer Blut = Sauger in Nieder = Ungern, A. 1732 geschehen, aus denen pricipiis naturae, ins besondere aus der sympathia rerum naturalium und denen tribus facultatibus hominis könne erleutert werden. Vinariensi. A. 1732.
- Otto, Grafens zum Stein unverlohrnes Licht und Recht derer Todten unter den Lebendigen, oder gründlicher Beweis der Erscheinung der Todten unter den Lebendigen, und was jene vor ein Recht in der obern Welt über diese noch haben können, untersucht in Ereignung der vorfallenden Vampyren, oder so genannten Blut = Saugern im Königreich Servien und andern Orten in diesen und vorigen Zeiten. Berlin und Leizig o. J.
(vermutl. nie erschienen)
- Gottlob Heinrich Vogt: Kurtzes Bedencken Von denen Acten = mäßigen Relationen Wegen derer Vampiren, Oder Menschen = Und Vieh = Aussaugern. Leipzig 1732.
- Johann Christian Fritsche: Eines Weimarischen Medici Muthmaßliche Gedancken Von denen Vampyren, Oder sogenannten Blut = Saugern. Leipzig 1732.
- Johann Christoph Harenberg: Vernünftige und Christliche Gedancken Über die Vampirs Oder Bluhtsaugende Todten. Wolffenbüttel 1733.
- Johannes Christianus Stock: DISSERTATIO PHYSICA DE CADAVERIBUS SANGUISUGIS. Von denen so genannten Vampyren oder Menschen = Säugern.. Jenae 1732.
- W. S. G. E. : Curieuse und sehr wunderbare Relation, von denen sich neuer Dingen in Servien erzeigenden Blut = Saugern oder Vampyrs, aus authentischen Nachrichten mitgetheilet, und mit Historischen und Philosophischen Refelexionen begleitet. Anno 1732.

Montag, 1. September 2008

Otto von Graben zum Stein nun auch bei Wikipedia

So, nun verfügt Wikipedia auch über einen Artikel von Otto von Graben zum Stein.
Wer Fehler findet, bitte korrigieren oder mit mir in Verbindung setzen!

Unverlohrnes Licht und Recht derer Todten unter den Lebendigen

Eine verschollene Schrift der Leipziger Vampirdebatte 1725 – 1734

Als Reaktion auf die bis heute bekanntesten und relativ gut dokumentierten Fälle von Vampirismus in Kisolova 1725 und Medwegia 1731/32 in Serbien entstand, wie bekannt sein dürfte, vor allem in Deutschland die Diskussion unter den Gelehrten und Akademikern über die Existenz oder Erklärung des ungarisch – serbischen Vampirphänomens. In Folge dessen erschienen vor allem im Jahre 1732, nach dem Bekanntwerden des Medwegia-Falls, eine große Anzahl beachtenswerter Schriften zu diesem Thema, wie z. B. Demelius’ Philosophischer Versuch..., W. S. G. E.’s Curieuse und sehr wunderbare Relation..., oder auch Putoneus’ Gründtlicher Bericht..., um nur einige zu nennen. Alle diese und noch viele andere Schriften aus dem gleichen Jahre oder der Folgezeit werden bei modernen Büchern über Vampirismus sowie auf Internetseiten als Quellen genannt. Darunter befindet sich auch ein Werk, das immer wieder als eine solche Quelle mit angeführt wird. Es handelt sich hierbei um ein Buch des damaligen Vizepräsidenten der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Otto von Graben zum Stein.
Über die Person Ottos von Graben zum Stein selbst gibt es viele widersprüchliche Angaben, die seine Person deshalb in einem Halbdunkel der Geschichte zurücklassen. Weder Geburts- noch Sterbejahr sind genau datiert. Er stammte ursprünglich aus Tirol und trat zu einem unbekannten Zeitpunkt einem geistlichen Orden, dem Ordo Servorum Mariae bei. Als ein solcher Servitenmönch diente er als Feldprediger in Sizilien, musste jedoch von dort im Jahre 1728 fliehen, da er eine kirchenkritische Schrift veröffentlicht hatte bzw. in gehaltenen Predigten die Rechte des römisch-deutschen Kaisers gegenüber dem päpstlichen Stuhl in Rom verteidigte. Dies könnte aber auch nur ein vorgeschobener Grund gewesen sein, denn nach seiner Flucht begab er sich nach Preußen, wo er offiziell die lutherische Konfession annahm. Wie es ihm gelang, in die unmittelbare Umgebung des preußischen Königs zu gelangen, bleibt im Dunklen. Doch hält sich mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit das Gerücht, dass er dort als Spion für Österreich tätig war. König Friedrich Wilhelm von Preußen bevorzugte ihn als Gesellschafter und auch als eine Art Hofnarr, was von Graben zum Stein oft nachteilig ausgelegt wird und auch an seiner Glaubwürdigkeit selbst rütteln soll. Dem muss jedoch ausdrücklich widersprochen werden, wenn man sich die Zeit nimmt, einen Blick in seine erhaltenen Werke, und dieser sind nicht wenige, zu wagen. Zu den bereits oben genannten wären hier zu erwähnen:
- Schematismus anatomiae hodiernae Romanaeecclesiae...
- Merckwürdige und recht seltsame Begebenheiten des auf wundersamen Wegen gereisten Pilgrims...
- Nachricht von der königlichen Residenz – Stadt Potsdam...
- Das jetzt blühende Potsdam mit poetischer Feder entworfen...
- Italiänisch – Teutsches und Teutsch – Italiänisches Hand – Lexicon...
- Allgemeine Schutz – Schrifft des ehrsamen Weiber – Handwerckes...
- Das betrübte Dressden...

und noch einige mehr.
Ferner betätigte er sich als Übersetzer, Zeitungsherausgeber (Potsdammischer Mercurius) und Lehrer für die italienische Sprache. Nicht alle Werke von Graben zum Stein erschienen auch unter seinem tatsächlichen Namen. Er benutzte zuweilen die Pseudonyme Bellamintes, Critille, Andrenius und Pneumatophilus.
Die Schrift, mit der Graben zum Stein seinen Anteil zur Leipziger Vampirdebatte beitragen wollte, trägt den Titel Otto, Grafens zum Stein unverlohrnes Licht und Recht derer Todten unter den Lebendigen, oder gründlicher Beweis der Erscheinung der Todten unter den Lebendigen, und was jene vor ein Recht in der obern Welt über diese noch haben können, untersucht in Ereignung der vorfallenden Vampyren, oder so genannten Blut = Saugern im Königreich Servien und andern Orten in diesen und vorigen Zeiten. Berlin und Leipzig (o. J., sollte allerdings im Jahre 1732 erscheinen).
Während meines Studiums der vampirischen Schriften versorgte ich mich nach und nach mit sämtlichen verfügbaren Quelltexten. Dennoch ist es mir trotz größter Bemühungen bis heute nicht gelungen, ein Exemplar dieser Schrift ausfindig zu machen. Kein Archiv, keine Universitätsbibliothek und auch nicht die Berlinisch–Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, als Nachfolgerin der Preußischen Societät der Wissenschaften, deren Vizepräsident Otto von Graben zum Stein - auch bekannt als Graf zum Stein, geb. um 1690 in Innsbruck, gest. um 1756 in Potsdam - in der Zeit vom 19. 01. 1732 bis zum 30. 06. 1740 war, waren in der Lage, mir eine Auskunft über den Verbleib seiner Schrift zu geben.
Es liegt daher die Vermutung nahe, dass Otto von Graben zum Stein aufgrund eines gegen ihn im Jahre 1731 ausgesprochenen Publikationsverbotes des königlich-preußischen Hofes nicht die Möglichkeit hatte, dieses Manuskript zu veröffentlichen. Als Begründung für dieses Verbot wurde ihm angeblicher „Aberglauben und Schwärmerey“ in seinen bisher veröffentlichten Schriften vorgeworfen und ein Zuwiderhandeln hätte eine Geldbuße von 100 Talern nach sich gezogen, was Graben zum Stein, trotz seines fürstlichen Gehalts von 200 Talern, dann auch davon abhielt, weitere Schriften zu veröffentlichen. Dabei hatte ihn König Friedrich Wilhelm I. ausdrücklich in seinem zum 19. Januar 1732 ausgestellten Ernennungsschreiben zum „Vicepräsidenten der Preussischen Academie der Wissenschaften“ dazu aufgefordert, „darüber zu wachen, dass die Kobolde, Alpen, Irrwische, Wassernixen, verwünschten Leute und Satansgesellen ausgerottet würden.“ Als Nachsatz wurde noch hinzugefügt, dass Graben zum Stein für die Ergreifung und Auslieferung eines jeden dieser Fabelwesen eine Belohnung von 6 Talern ausbezahlt werden solle. Der König und sein „Tabacscollegium“ – das vielmehr die regelmäßige Zusammenkunft zwischen Saufkumpanen darstellte, überzogen die Akademie der Wissenschaften eher mit Spott. Nur so erklärt es sich, warum Friedrich Wilhelm die Präsidentenposten ausgerechnet mit zweien seiner Spaßmacher besetzte. Vielleicht waren Graben zum Steins Schriften zu gut geraten, zu beliebt geworden, und verfehlten somit des Königs offenbares Ziel den Aberglauben auszurotten, um Einiges. Denn der Stein des Anstoßes und Auslöser für das gerichtliche Publikationsverbot waren letztlich seine Sagen von den monathlichen Unterredungen von dem Reiche der Geister, die bis 1731 in zwei Bänden erschienen, und in welchen er Themen wie Erscheinungen der Verstorbenen, Poltergeister und verwunschene Häuser und Plätze anspricht. Nach Aufhebung des Publikationsverbotes zehn Jahre später beschloss er diese Buchreihe unter dem Titel Unterredungen von dem Reiche der Geister unverdrossen mit einem dritten Band. Diese Unterredungen wurden 100 Jahre später von den großen Volkskundlern und Geschichtensammlern ob ihres unglaublich großen Reichtums an solchen Geschichten eifrig konsultiert. Doch trotz der Wiederaufnahme seiner schriftstellerischen Tätigkeit ist nichts davon bekannt, dass die Schrift Unverlohrnes Licht und Recht... dann doch noch gedruckt worden wäre oder Einzug in eines seiner nach 1741 veröffentlichten Werke gefunden hätte. 1734, zwei Jahre nach dem geplanten Erscheinungstermin, schreibt der als Vampirologe berühmt gewordene Nebraische Diakon Michael Ranft in seinem Tractat von dem Kauen und Schmatzen derer Todten in Gräbern von diesem Buch: „Hiervon habe ich nur den Titel gesehen. Denn das Werk selbst ist noch nicht in der obern Welt zum Vorschein gekommen...“, 3. Teil, S. 265/266.
Wie mir der dänische Vampirforscher Niels Petersen in einer Email schrieb, existiert sogar eine Erwähnung zu diesem Fall in der dänischen Zeitung Nye Tidender om lærde og curieuse Sager vom 29. Mai 1732, in der es nach einer kurzen Vorstellung von Graben zum Steins Vampirschrift zynisch heißt: „Das Beste an dem Buch wird wahrscheinlich sein, dass es niemals veröffentlicht werden wird.“ Ähnliche Quellen wird man vermutlich auch in damaligen deutschen Zeitungen finden.
Nichtsdestotrotz bleibt immer noch die kleine Hoffnung, ob nicht doch einige wenige Exemplare verstohlen ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben, denn anstelle von Leipzig und Berlin als eigentlichen Druckort wird verschiedentlich auch Wittenberg genannt, welche Stadt sich außerhalb des preußischen Einflussbereiches befand. Auch schreibt der kurfürstlich-sächsische Leibarzt Dr. Johann Daniel Geyer in seiner in Dresden 1735 erschienen kleinen Schrift Müßiger Reise Stunden Gedancken von denen Todten Menschen Saugern: „Es hat weder Herr Graf Otto zum Stein in seinem Gutachten von dem Licht und Recht derer Todten, noch die über dessen Gedancken bekandte Commentatores Ursach, diese Menschen Sauger vor was neues auszugeben...,“ was eigentlich den Schluss nahe legt, dass Herr Dr. Geyer zumindest das ungedruckte Manuskript gelesen haben muss. Ebenso soll der Verfasser der Auserlesenen Theologischen Bibliothek Graben zum Steins Werk besprochen haben, wie Michael Ranft in seinem Tractat 3. Teil, S. 260/61 schreibt.
Doch wo kann sich dieses Manuskript oder die etwaigen wenigen gedruckten Exemplare befinden? Nach gründlicher Recherche lässt sich nur so viel sagen, dass sowohl Manuskript als auch eventuell vorhanden gewesene Einzelexemplare des gedruckten Buches als verschollen gelten müssen. Umso erstaunlicher ist es, dass etliche Autoren wie auch Betreiber von Internetseiten diese Schrift als Quelle nennen, die sie doch selbst nie zu Gesicht bekommen haben dürften.
Doch soll es an dieser Stelle genügen – die Suche nach dem verschollenen Manuskript wird unvermindert fortgesetzt...